Schon diesen Namen zu gebrauchen, führt in ein ideologisches Minenfeld. „Zigeuner“ – das sagt man einfach nicht, das Wort steht in einer Reihe mit Neger, Lappe oder Eskimo. Es ist aber nun einmal so, daß viele dieser Namen, obwohl sie zum Teil pejorativ gebraucht werden, immer noch unersetzliche Oberbegriffe sind. Wer auf sie aus historischen oder ideologischen Gründen verzichten will, muß auf absurde Wortkonstrukte zurückgreifen: aus den Eskimos werden dann, ganz und gar nicht im Sinne vieler Angehöriger dieses Volkes, Inuit, die Lappen werden zu Samen – und die Zigeuner?
Sie sind „Sinti und Roma“ (da muß ich also, wenn ich ein Individuum bezeichnen will, vorher wissen, ob er zu den Sinti oder den Roma gehört!), und weil in polizeilichen Protokollen selbst das schon als diskriminierend gilt, tauchen dort Bezeichnungen wie „gewöhnlich umherziehende Personengruppe“ auf. Daß viele Zigeuner sich selbst „Zigeuner“ nennen, interessiert den fortschrittlichen, politisch korrekten Ideologen von heute überhaupt nicht.
Das alles ist, mit einem Wort, ein einziges Narrenhaus.
Die Zigeuner (ich lasse mir dieses Wort im übrigen schon deshalb von niemandem verbieten, weil es dafür keinen vernünftigen Ersatz gibt) haben mittlerweile eine erstaunlich emsige und überall präsente Lobby, allen voran der „Zentralrat deutscher Sinti und Roma“ von Romani Rose, der zurecht vor Jahrzehnten die Ausrottungspolitik der Nationalsozialisten gegen die Zigeuner ins öffentliche Bewußtsein gebracht hat.
Anders sieht es freilich mit selbstkritischen Einsichten aus. Daß die Vertreter der Zigeuner auch einmal öffentlich über eigene Defizite nachdenken, kommt praktisch nicht vor. Es ist ja keineswegs „Antiziganismus“ (im übrigen eines dieser modernen Dummwörter wie „Islamophobie“ oder „Homophobie“), wenn man auf die schwerreichen Clanchefs etwa in Rumänien hinweist, die ihre Kinder zum Stehlen und die Töchter zum Anschaffen schicken. Der Wiener Sozialpädagoge Norbert Ceipek hat darüber geforscht, und die F.A.Z. hat ausführlich über dieses System berichtet (hier nachzulesen).
Am Freitag hat Rupert Neudeck, der gewiß jeder Art von Diskriminierung unverdächtig ist, in einem für die F.A.Z. geschriebenem Beitrag („Fremde Federn“) ähnliche Erfahrungen beschrieben. Wer als Deutscher über Zigeuner schreibt (wie etwa der Journalist Rolf Bauerdick) wird von deren Verbänden sofort als „Nazi“ beschimpft. Auch Neudeck selbst, der seine Erfahrungen aus dem Kosovo kommentierte, wurde sofort zum Opfer von organisierten Leserbriefkampagnen. Die Roma, schreibt er,
sind das privilegierte Opfer einer fehlgeleiteten Entwicklungspolitik, die meint, mit Geld und guten Gaben ließe sich ein Problem lösen.
Und er fügt hinzu:
Die große Mehrheit der Organisationen, die für Roma etwas tun, tun das mit Mitteln des eigenen Staates oder der EU, deren Subventionen am leichtesten fließen, wenn sich am Elendszustand der bemitleideten Menschen wenig ändert. Diese Menschen sind deshalb oft überbeschützt oder „overaided“, wie man heute sagt.
Als es darum ging, Baumaterial für den Wiederaufbau ihrer Häuser im Kosovo zu bekommen, wurden die Aschkali von einem großen Pulk von Hilfsorganisationen in „sehr teuren Autos“ begleitet und hielten es für selbstverständlich, daß sie als unterdrückte Aschkali eine Sonderbehandlung erfahren müßten.
Also: nicht mit Entwicklungshilfe überhäufen und überbeschützen, sondern auch fordern, sagt Neudeck. Seine Hoffnung freilich, daß sich irgendwann „eine junge Roma-Elite“ bildet (in Ungarn soll es erste Ansätze dazu geben), wird wohl nicht so bald in Erfüllung gehen.