Nein, das ist nicht von Goethe, das ist (man merkt’s) von mir. Es soll gereimt meinen zunehmenden Ärger über das öffentlich-rechtliche Fernsehen holprig, aber prägnant zusammenfassen. Fast alles, was über die platteste, dümmste, seichteste Unterhaltung hinausgeht, kommt nämlich in ARD, ZDF und auch in den Dritten Programmen zu nachtschlafender Zeit. Das ist nicht erst seit gestern so, ich weiß. Aber ich habe immer auf Einsicht gehofft. Statt dessen wird es mit dieser Verschiebung in die Nacht immer schlimmer.
Nehmen wir einmal den iranischen Spielfilm „Offside“ (mit dem völlig überflüssigen deutschen Untertitel „Frauen im Abseits“). Eine ganz wunderbare Komödie über ein paar Mädchen und junge Frauen, die mit allen Tricks versuchen, in Teheran in ein Fußballstadion zu kommen, wo das entscheidende WM-Qualifikationsspiel gegen Bahrain stattfindet. Das ist im Iran verboten, weil nur Männer ins Stadion dürfen. Sie werden erwischt und im Stadion festgehalten, weil man sie später der „Sitte“ übergeben will. Was jetzt folgt, sind ganz unglaubliche, fast absurde Dialoge zwischen den Mädchen und den jungen, etwas unbedarften Soldaten, die sie bewachen müssen. Sie sind so komisch, daß man aus dem Lachen nicht herauskommt, denn die Soldaten werden immer wieder gezwungen, die iranischen Gesetze zu begründen und zu verteidigen, und die Mädchen, das merkt man schnell, sind den Soldaten in jeder Hinsicht überlegen. Es ist ein Humor der feinen Art, aber doch einer, den jeder Zuschauer versteht – und man erfährt über die Konflikte des iranischen Alltags mehr als in jedem politischen Magazin.
Also: nichts Abgehobenes, das nur eine intellektuelle Minderheit goutiert, sondern Unterhaltung der besten Art. Ein ganz herausragender Film, der natürlich, denkt man, zur besten Sendezeit laufen wird.
Und wann läuft er wirklich? Auf ARTE am 2. Juni um 22 Uhr. Auf 3sat am 17. Juni um 22.25 Uhr. Im NDR am 19. Juni um 0:35 Uhr.
Das ist bei ARD und ZDF schon lange Methode. Nehmen wir das auslandsjournal des ZDF, sicher eine der besten Sendungen über Themen aus dem Ausland im deutschsprachigen Fernsehen. Viele Jahre lief es donnerstags um 21.15. Es war für viele Zuschauer ein Pflichttermin – auch bei uns. Jetzt sendet man es mittwochs um 22.15 Uhr, und selbst dazu braucht man Glück, denn es wird immer wieder aus irgendeinem Anlaß auf einen noch späteren Termin verschoben. Versuchen Sie gar nicht erst, darüber mit dem Sender ins Gespräch zu kommen. Wir haben es mehrfach probiert, und die Antwort bestand jedes Mal nur aus lieblos aneinandergereihten Textbausteinen.
Früher hatte man noch die Wahl, auf die Dritten Programme auszuweichen. Aber das ist inzwischen ein ganz besonders düsteres Kapitel. Der Niedergang der Dritten ist dramatisch: unser Hessisches Fernsehen zum Beispiel ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, so dürftig geworden, daß es fast schon peinlich ist. Es ist, als würde man nur noch Sendungen für Kleinkinder produzieren. Die anderen sind nicht viel besser: den MDR kann man vergessen, auch den SWR. Der NDR hat hin und wieder eine Sendung, die man anschauen kann, und beim WDR ist immerhin auf die Aktuelle Stunde Verlaß, eine journalistisch wirklich sehr gute Informationssendung. Von allen Dritten hat sich am meisten noch das Bayerische Fernsehen seinen Ursprung bewahrt, es ist noch regional geerdet und hat ordentliche, völlig unprätentiöse Moderatoren (zum Beispiel in der Nachmittagssendung Wir in Bayern).
Aber das sind dann schon auffällige Ausnahmen.
Ja, und dann gibt es zum Glück noch ARTE und 3sat. Vor allem 3sat hat nicht dieses fürchterlich starre Sendeschema, da gibt es auch einmal Thementage, die sich über 24 Stunden erstrecken, oder man sendet vier oder fünf Folgen einer Serie oder Reihe einfach am Stück hintereinander.
Und: 3sat hat am frühen Morgen eine Live-Sendung, die für mich besser, spannender und aufregender ist als fast jeder Tatort im Ersten: sie heißt Alpenpanorama.
Aber darüber werde ich ein andermal berichten.