Immer feste druff – auf Griechenland

Nennt man das nicht bashing? Man haut einfach drauf, ohne Einschaltung des Gehirns. So haben Horden von – na: sagen wir: geistig weniger gut ausgestatteten Jugendlichen damals nach der Wende im Osten Jagd auf Fremde gemacht: „Neger“, Vietnamesen usw.

Kein Tier macht so etwas. Nur der Mensch.

Zur Zeit erleben wir eine infame Haudrauf-Kampagne gegen eines der schönsten Länder der Welt – schön nicht nur wegen seiner Landschaft, seines Klimas, seines Lichts, seiner Geschichte, seiner Kultur, seiner Musik, sondern schön gerade auch wegen seiner Menschen: Griechenland.

Über Jahrhunderte hinweg war Griechenland für die Europäer (und vor allem für die Deutschen!) eine Art Sehnsuchtsland – am Anfang mit groben Idealisierungen, die der Wirklichkeit nicht standhielten, dann aber mehr und mehr auf einer solideren Grundlage, nämlich der persönlichen Kenntnis. Seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts reisten immer mehr Deutsche aus allen Schichten nach Griechenland – und das war, anders als heute, tatsächlich noch ein „Reisen“, und kein Aufenthalt im Ghetto eines all inclusive-Hotels.

Ich war 1973 als Student das erste Mal in Griechenland – eigentlich nur auf der Durchfahrt. Ich hatte mit meinem klapprigen Ford Taunus eine Kurzreise nach Istanbul gewagt, und nachdem ich auf der Hinfahrt die Route durch Bulgarien genommen hatte, wollte ich auf der Rückreise Griechenland kennenlernen. Da saß ich dann – alle Hotels waren ausgebucht, nur ein paar Privatzimmer waren noch frei – in Kavalla unversehens mitten in einer griechischen Familie auf dem Balkon ihres Hauses, aß mit ihnen und blickte, während die Nacht hereinbrach, auf das Meer und das geschäftige Treiben am Hafen.

Es war der Beginn einer lebenslangen Zuneigung zu diesem Land und seinen Menschen. Und keine Ratingagentur der Welt wird daran etwas ändern.

Ich bin deshalb nicht unkritisch, ich sehe durchaus auch die schwachen Seiten der Griechen. Die meisten teilen sie mit den anderen Kulturen am Mittelmeer, etwa die oft grausame oder gleichgültige Behandlung der Tiere oder den machismo der jungen Männer. Und sie haben auch hin und wieder die Neigung, andere in geschäftlichen Dingen übers Ohr zu hauen. Wären sie sonst die Nachfahren des listenreichen Odysseus? Aber der Liebe tut das keinen Abbruch.

Es ist wahr: seit Griechenland in der EU ist, hat es manches von seinem alten Charme verloren. Und vielleicht war ja auch der Beitritt zur EU einer der größten Fehler, den das Land in seiner neueren Geschichte gemacht hat. Aber jetzt auf Griechenland einzudreschen, als sei es an allen Übeln der Welt (oder doch wenigstens den europäischen) schuld, das ist mehr als unfair. Denn die Griechen leiden unter dem Euro ja selbst am meisten, und zwar nicht erst heute, sondern schon seit seiner Einführung.  Die Preise sind förmlich explodiert und liegen heute auf einem höherem Niveau als in Deutschland – bei gleichzeitig viel niedrigeren Einkommen. Sicher gibt es auch Nutznießer der Euro-Einführung, Profiteure, die einen Reibach gemacht haben. Aber die große Masse der Bevölkerung, die kaum weiß, wie sie bei diesen Preisen überleben soll, hatte davon nur Nachteile und muß jetzt durch die „Strafmaßnahmen“ ein zweites Mal büßen. Da ist es doch verständlich, daß der Zorn wächst.

Und es wächst in der Bevölkerung auch der Zorn über die Art und Weise, wie die europäischen Regierungen mit Griechenland umspringen. Zurecht! So arrogant, so überheblich kann man vielleicht mit Weißrußland und Tadschikistan umgehen, aber ein Land, das schon eine philosophische und politische Hochkultur hatte, als die Germanen noch – na, sagen wir es zurückhaltend: nicht ganz dasselbe Niveau erreicht hatten, muß sich nicht auf diese Weise behandeln lassen. Die Griechen sollten viel offensiver mit den Problemen umgehen. Sie haben in ihrer großen Mehrheit durch die EU viel mehr verloren als die reichen Länder, die auch jetzt noch gut an den Krediten für Griechenland verdienen.

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