Es ist eine Schande ohnegleichen, daß kein einziges Land des alten Europa, das sich doch auf seine Kultur und Geschichte so viel zugute hält, dem armen Edward Snowden Asyl gewährt hat. Der einzige gemeinsame Nenner dieses zerstrittenen Kontinents, das zeigt sich auch jetzt wieder, ist seine Unentschlossenheit und seine Feigheit. Snowdon hat, und zwar buchstäblich unter Einsatz seines Lebens, aufgedeckt, daß die Großmacht USA ohne jede moralische Hemmung die Verfassungen praktisch aller europäischen Länder bricht und diesen vielfachen Verfassungsbruch auch noch mit dem Argument verteidigt, es würden ja keine amerikanischen Bürger, sondern nur Ausländer überwacht.
Und was tun die europäischen Regierungen gegen diesen offenen und auf Dauer angelegten Verfassungsbruch? Nichts. Ein paar milde Proteste, und das auch nur, weil wir in Deutschland ein Wahljahr haben – das war es schon. Kann man dann den Eid auf unsere Verfassung, den Merkel und ihre Regierung abgelegt haben, noch ernst nehmen?
Das kann man nicht.
Die USA verstoßen absichtlich, dauerhaft und ohne jede Reue gegen unsere Verfassung. Sie nehmen über 80 Millionen Deutschen ihre verbrieften Grundrechte, und die Regierung läßt es geschehen. Man muß sich fragen, warum unser Bundesverfassungsgericht, das sonst über jedes Kinkerlitzchen Recht spricht, zu dieser Entmündigung einer „befreundeten“ Nation, zu diesem unerhörten Verfassungsbruch immer noch schweigt. Ist denn die „Homo-Ehe“ bedeutender als ein millionenfacher Bruch unseres Grundgesetzes? Fast könnte es den Anschein haben.
Aber gleichzeitig hat sich noch ein anderer Fall zugetragen, der die Feigheit gerade der Regierung Merkel minendestens ebenso deutlich zeigt.
Es geht um Hamed Abdel-Samad. Den gebürtigen Ägypter, einen klugen, humorvollen, gewitzten Mann, der an der Universität München promoviert wurde, kennen viele noch aus der Fernsehreihe „Entweder – Broder“. Mit Broder zusammen ist er durch Deutschland gefahren und hat uns dieses Land durch seine Brille gezeigt. Die Reihe war eine kleine Sternstunde des deutschen Fernsehens, sie hat zurecht den Bayerischen Fernsehpreis erhalten und hätte gewiß noch mehr Auszeichnungen verdient gehabt.
Jetzt ist Abdel-Samad untergetaucht. Er fürchtet um sein Leben. Was ist geschehen?
Abdel-Samad war von Anfang an auf der Seite der ägyptischen Revolution. Er hat große, vielleicht zu große Hoffnungen mit ihr verbunden. Als er im Juni in einer Rede in Kairo den Islamismus als eine Form des Faschismus bezeichnete, wollten die Scharfmacher in Ägypten mit ihm kurzen Prozeß machen. Der Haßprediger Assem Abdel Maged verhängte eine Art Todesurteil über Abdel-Samad. Dessen Versuche, den Salafisten dafür rechtlich zu belangen, waren nicht von Erfolg gekrönt – im Gegenteil. Auch die höfliche Bitte des deutschen Außenministers, den Mordaufruf zurückzunehmen, hatte eine andere Reaktion, als mancher erwartete. Der mit dem Tod bedrohte Deutsch-Ägypter schildert es in einem Interview mit der F.A.Z. so:
Es war eigentlich eine Vorführung, dass der Außenminister Westerwelle am 13. Juni von der ägyptischen Regierung verlangte, sich von den Mordaufrufen zu distanzieren, und zwei Tage später empfängt Mursi Assem Abdel Maged, der den Mordaufruf gemacht hat, und umarmt ihn öffentlich, vor laufender Kamera.
Muß man da noch etwas hinzufügen? Nur das vielleicht: daß die Absetzung Mursis gerade noch zur rechten Zeit geschehen ist.
Und: daß die politische Klasse der europäischen Länder wieder einmal auf ganzer Linie versagt hat. Statt ihr gesamtes politisches Gewicht für die Redefreiheit und den vom Tod bedrohten Mitbürger in die Wagschale zu werfen, macht sie das, was sie in solchen Fällen am liebsten tut – sie schweigt.