Jetzt also auch arte.
Seit längerer Zeit beobachte ich, daß ein Sender nach dem anderen seine Internetseiten so gestaltet (oder besser: gestalten läßt), als seien die Zuschauer Vorschulkinder oder halbe Analphabeten.
Zuerst haben wir das Phänomen auf der Internetseite des Bayerischen Fernsehens leidvoll wahrnehmen müssen: war früher das Tagesprogramm auf einen Blick zu überschauen, so muß man sich jetzt einer wahren Grafik- und Bilderflut erwehren. Fotos tauchen auf und verschwinden wieder, und wenn man die Sendungen zu einer bestimmten Tageszeit sucht, muß man mit vielen Mausklicks eine horizontale Zeitleiste bewegen. Das ist aber noch nicht alles: das ganze Informationssystem ist durch die multimediale Überfrachtung schwerfälliger geworden, viele Informationen, die früher sofort zur Hand waren, sucht man jetzt vergebens. Was zum Beispiel die Sendung Wir in Bayern betrifft: da war früher der ganze Wochenplan zu sehen – in Textform (ich kann übrigens seit meinem sechsten Lebensjahr lesen, Herr Intendant!), jetzt findet man nicht einmal mehr den Sendungsinhalt des folgenden Tags.
Nehmen wir arte: immer noch einer der besten deutschsprachigen Sender. Bisher konnte man schnell und bequem das Tagesprogramm des Senders abrufen, geordnet nach Vormittag, Nachmittag, Abend usw. Jetzt wird man schon auf der Startseite mit Grafiken und Fotoserien überfallen – es sind an die 20 Bilder, die ohne jede Logik auf der Seite verteilt sind. Erst wenn man „Im Programm“ anklickt, kommt man zum Ziel und sieht das Programm – aber in Buchstaben und Ziffern, die so groß sind, daß auch hier wieder suggeriert wird, daß der Zuschauer im Grunde ein Analphabet ist, der sich ohne ganz, ganz viel Grafik im Leben nicht zurechtfindet.
Dann das ZDF! Früher habe ich mir morgens auf dem Netbook die Homepage des Senders angesehen, um nicht eine interessante Sendung zu übersehen – das ist praktisch nicht mehr möglich. Die horizontale Zeitschiene füllt den halben Bildschirm aus, ein Navigieren ist zumindest auf dem Netbook kaum mehr möglich. Auch auf dem großen Monitor ist es gefährlich, die Maus zu bewegen: ständig blitzen irgendwelche Fenster auf, die man gar nicht gewollt hat, und am Ende kommt immer wieder eine Zeitschiene. Alles läuft nur noch über solche timelines, an denen die Sender und ihre gedungenen Webmaster offenbar einen Narren gefressen haben. Dabei gehört es zu unserer Kultur, daß wir – wie in Büchern und Zeitungen – von oben nach unten lesen, und nicht irgendwelche Zeitschienen von links nach rechts schieben.
Liebe Intendanten! Das Durchschnittsalter Eurer Zuschauer liegt nicht zwischen 15 und 25 (davon träumt ihr vielleicht). Wir Normalzuschauer können lesen (wirklich!) und brauchen keine Piktogramme und keine bunten Bildchen, um uns im Leben (oder auf einer Homepage) zurechtzufinden. Wenn ihr – übrigens von unseren Gebühren! – teure Webdesigner beauftragt, damit die euren Internetauftritt unübersichtlicher machen als er je war, und wenn ihr jeder Mulitmedia-Mode hinterherlauft, dann seid ihr einfach nur: doof.
Ich empfehle euch, einmal auf die Internetseite von 3sat zu gehen: da seht ihr nämlich, wie eine gute, schnörkellose Homepage aussehen kann: mit höchstens zwei oder drei Mausklicks ist man am Ziel, ohne sich durch eine Bilderflut quälen zu müssen. Es ist ein einfacher, geradezu klassischer Internetauftritt – eben im Interesse des Kunden, der hier wirklich noch König und nicht Opfer von Bilderorgien ist. Auch die ARD hat in diesem Sinne eine wirklich gute Programmübersicht.
Hoffentlich noch recht lange.