Es gibt nur wenige Menschen, die schon einmal einen Wendehals gesehen haben.
Obwohl der Gemeine Wendehals (Jynx torquilla) tagaktiv ist, bekommt man ihn nur selten zu Gesicht. Seine Bestände gehen zurück, die Art gilt als gefährdet.
Ganz anders der Energie-Wendehals (Jynx pseudoecophila). Es gilt geradezu als ornithologische Sensation, daß dieser eher seltene Vogel in jüngster Zeit so häufig geworden ist, daß man schon von einer Massenvermehrung sprechen kann. War er noch vor einigen Jahren nur in wenigen grünen Biotopen anzutreffen, so ist es ihm nun gelungen, beherzt auch in die widrigsten Lebensräume einzudringen. Selbst in Bayern hat er mühelos Fuß gefaßt, und mancher Bergwanderer staunt nicht schlecht, wenn er dem merkwürdigen Vogel mit seinem schillernden Gefieder sogar in den Gipfelregionen des Gebirges begegnet.
Über die Gründe für die explosionsartige Vermehrung gehen die Meinungen weit auseinander. Ein Experte des NABU, der nicht genannt werden möchte, spricht von einem „seuchenhaften Geschehen“ mit fatalen Folgen für das ökologische Gleichgewicht.
Wir haben es hier mit einem robusten Vogel zu tun, der sich in einer geradezu atemberaubenden Geschwindigkeit vermehrt. Wo immer er auftaucht, vertreibt er die einheimischen Arten mit kräftigen Schnabelhieben. Er verdrängt einfach alles!
Die meisten Spaziergänger freilich sind anderer Ansicht. Auch Frau W. aus G., die gerade mit ihrer kleinen Tochter auf einen ganzen Schwarm von Energie-Wendehälsen gestoßen ist. „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht“, sagt sie. „Es sind doch so schöne Tiere. Man muß sie einfach liebhaben!“ Und ihre Tochter nickt: „Sie sind niedlich.“
Wie es mit dem Wendehals weitergehen wird, weiß niemand.
„Auf lange Sicht“, meint der NABU-Experte, „wird die Population wieder zusammenbrechen. Dafür sorgt die Natur schon.“
Aber die ökologischen Schäden, die der Wendehals bis dahin noch anrichten kann, werden enorm sein.