Wir waren Papst – Benedikt XVI. tritt zurück

Die Nachricht ist für alle überraschend gekommen. Ist es eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Für alle, die an „Katholikenphobie“ leiden (ein zutreffendes, aber sprachlich nicht sehr gelungenes Wort von Kardinal Meisner), ist es sicher eine gute Nachricht. Der alte (und altmodische) Mann in Rom hat sich jeder Korrektheit verweigert. Ja, er ist auch da hart geblieben, wo die katholische Kirche das Dogma über die Nächstenliebe gestellt hat: bei Geschiedenen und Wiederverheirateten und beim Dauerthema Verhütung. Hier hat sich die katholische Kirche selbst und ohne jeden plausiblen Grund ins Abseits gestellt. Am verhängnisvollen Irrweg, der mit der Enzyklika „Humanae vitae“ Pauls VI. begonnen hat, hat er leider festgehalten. Wenn nämlich die Liebe – wie Benedikt es in seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“ (Gott ist Liebe) herausgearbeitet hat – ins Zentrum des Glaubens gehört, dann verbietet es sich, an die Menschen Maßstäbe anzulegen, denen nicht einmal Heilige genügen. Da, wo es um Sexualität, Ehe, Scheidung geht, driftet das sonst so realistische Menschenbild der katholischen Kirche in eine moralische Rigorosität ab, die man einfach nicht gutheißen kann. Nicht eine eine einzige Ehe wird im Himmel geschlossen, und wenn man Menschen, denen die Liebe verlorengegangen ist, die nur noch in Gleichgültigkeit oder sogar Abneigung zusammenleben, die Scheidung so schwermacht, dann ist das ein Sieg des Dogmas, des Buchstabenglaubens über die Liebe.

Es ist ein dunkler Fleck, der leider und unnötigerweise einen Schatten auf die letzten Jahrzehnte der katholischen Kirche wirft. Aber ist damit auch schon das Pontifikat Benedikts XVI. in ein schlechtes Licht gerückt?

Keineswegs.

Die Haltung der Kirche zu Ehe und Familie hat Benedikt – leider – übernommen und nicht korrigiert. Aber er hat zum ersten Mal der Vernunft neben der caritas einen großen, wenn nicht den wichtigsten Platz innerhalb des Glaubens zugewiesen. Für ihn ist die Vernunft ein kostbares Gottesgeschenk, und weil sie das ist, hat man auch als gläubiger Mensch die Pflicht, von ihr Gebrauch zu machen. Also: kein credo quia absurdum mehr, und auch keine dumpfe Frömmelei.

Das ist schon jetzt das entscheidende Vermächtnis seines Pontifikats. Ob es auch von seinem Nachfolger aufgenommen wird, der vielleicht aus Südamerika oder Afrika (oder nach langer Tradition doch wieder aus Italien) kommen wird, wird man sehen. Aber zumindest in diesem wichtigen, auch in der Auseinandersetzung mit dem erstarkenden (und leider intellektuell eher unbedarften) Holzhammer-Atheismus wichtigen Punkt hat er ein Zeichen gesetzt.

Ich merke gerade, daß mein kleiner Artikel schon wie ein Nachruf klingt, und ein Nachruf auf das Pontifikat mag ja auch jetzt schon erlaubt sein.

Dem Menschen Joseph Ratzinger wünsche ich aber, daß er noch genug Zeit für einen Lebensabend bei einigermaßen guter Gesundheit hat. Vielleicht gelingt es ihm ja sogar noch, das eine oder andere Buch zu schreiben.

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