Die „kleinen afrodeutschen Leser“ und die bösen Neger in den Kinderbüchern

Manchmal denkt man: spinnt die Frau jetzt? Eine gewisse Jeannine Kantara setzt sich im Gefolge von Kristina Schröder in der ZEIT energisch für die politisch korrekte Änderung unserer gesamten Kinderliteratur ein. Alle Wörter sollen aus ihr getilgt werden, die nicht mehr korrekt sind – „Neger“ zum Beispiel. Man möge doch bitte – so wörtlich – die „kleinen afrodeutschen Leser“ vor solchen Wörtern bewahren!

Kinder sollen solche Wörter also gar nicht mehr kennenlernen. Sie sollen in einer purgierten Kunstwelt aufwachsen wie einst der Dauphin am französischen Königshof. Selbst ein Gespräch mit den Eltern über solche Wörter ist dann nicht mehr möglich – alles ist von vornherein porentief rein. Es gibt keine Neger und keine Zigeuner, es gibt auch keine Hautfarben mehr. Wir haben jede Diskriminierung ein für allemal abgeschafft – indem wir die diskrimierenden Wörter abgeschafft haben!

What a wonderful world.

Frau Kantara geht aber noch weiter:

Steckt in dem momentanen Schröder-Bashing nicht vielleicht auch die Angst der Kritiker, sich von den eigenen, lieb gewonnenen Vorurteilen verabschieden zu müssen? Nach dem Motto: Wo kommen wir denn hin, wenn man nicht mal mehr »Neger« sagen darf?

Ach jehchen! Wer gegen die Verfälschung unserer Kinderliteratur ist, wer sich dagegen wehrt, daß nach Herzenslust in den Romanen von Astrid Lindgren oder Enid Blyton herumgestrichen wird, damit auch noch der letzte Satz politisch korrekt ist – der hat „liebgewonnene Vorurteile“? Sie trauen den Eltern also nicht einmal zu, mit ihren Kindern über solche Themen vernünftig zu reden?

Da unterschätzen Sie aber nicht nur die deutschen Eltern, sondern auch ihre Kinder!

Wir brauchen nun wirklich keine Sprachpolizei, die in die Literatur hineinpfuscht.

Es gibt das Wort „Neger“. Es gibt das Wort „Zigeuner“. Sie können diese Wörter tausendfach aus allen Büchern ausmerzen – die Wörter sind trotzdem immer noch da. Statt die Sprachpolizei jetzt auch noch auf die Kinderliteratur zu hetzen, sollten wir lieber über solche Wörter, die eine lange und wechselvolle Geschichte haben, reden.

Reden, Frau Kantara! Nicht streichen, ausmerzen, verschweigen.

Nur reden hilft. Sonst gibt es bald nur noch „Astrid Lindgren in gerechter Sprache“, „Enid Blyton in gerechter Sprache“ und „Otfried Preußler in gerechter Sprache“. Das mag für Sie, Frau Kantara, die Erfüllung eines Traums sein. Für mich wäre es ein Albtraum. Und für unsere Kinder auch.

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