Ein Brief an Wladimir Wladimirowitsch Putin, den obersten Beschützer aller russischen Waisenkinder

Lieber Wladimir Wladimirowitsch,

ich staune immer wieder über Deine politische Klugheit. Wirklich! Da hat der alte Klassenfeind in den USA ein Gesetz verabschiedet, das es angeblichen russischen Menschenrechtsverletzern nicht mehr erlaubt, in die USA einzureisen, und Du hast genau die richtige Antwort gefunden.

Was war passiert? Ein Anwalt namens Sergej Magnizki ist in einem Deiner Gefängnisse mißhandelt worden und ohne jede ärztliche Hilfe und unter furchtbaren Schmerzen zu Tode gekommen.

Na und? Sterben müssen wir schließlich alle, nicht wahr, Wladimir Wladimirowitsch? Es kommt dazu, daß dieser Anwalt, der in Deiner Obhut verblichen ist, geradezu lächerliche Vorwürfe gegen das russische Innenministerium erhoben hat: dessen Beamte sollen in Betrügereien verwickelt gewesen sein, die sich auf das Sümmchen von 130 Mill. Euro belaufen. Dabei weiß doch jeder Mensch, daß russische Beamte, Polizisten und Politiker die lautersten, ehrlichsten Menschen auf der Welt sind! Schon daraus kann man ersehen, was dieser Magnizki für ein übler Kerl war. Und dann hat er auch noch für eine amerikanische Firma gearbeitet, er war also nach dem neuen russischen Recht sowieso ein Agent, und Agenten haben nichts anderes verdient als den Tod.

Du hast ja, lieber Wladimir Wladimirowitsch, seit einiger Zeit Deine Liebe zur heiligen russischen Kirche entdeckt. Bist sogar ein richtig frommer Mensch geworden! Deshalb hast Du Dich sicher gefreut, wie umsichtig und menschlich der stellvertretende Gefängnisdirektor Dimitri Kratow mit diesem Subjekt umgegangen ist. Dessen Bauchspeicheldrüse war schon entzündet, und jeder weiß, daß das höllische Schmerzen sind. Und was hat der gute Dimitri getan, der Gefängnisdirektor? Hat er es sich in seinem Amtssessel gemütlich gemacht und ein Gläschen Wodka auf seinen Präsidenten getrunken, während Magnizki vor Schmerzen schrie? Aber nein, bewahre! Er hat sofort zum Telefonhörer gegriffen und den Psychiater gerufen.

Jetzt könnte man natürlich fragen: warum den Psychiater? Warum nicht einen Internisten? Die Frage ist leicht zu beantworten. Ein Mensch, der ehrliche russische Beamte der Korruption beschuldigt, muß meschugge sein. Deshalb ist er ein Fall für den Irrenarzt. Das hat man ja damals, als Du Deine Karriere begonnen hast, nicht anders gemacht – Du erinnerst Dich, Wladimir Wladimirowitsch? Jedenfalls hat der Psychiater die Sache sofort durchschaut und die richtige Behandlung durchgeführt: er hat den schreienden Patienten – ans Bett gefesselt. Aus Barmherzigkeit hat er das getan, denn was hätte sonst nicht alles passieren können? Magnizki hätte sich womöglich beim Versuch, die Bettstatt zu verlassen, das Bein gebrochen.

Ja, es stimmt, die Wärter haben Magnizki hin und wieder ein bißchen gefoltert, aber das sind eben keine Weicheier. Sie wollen ab und zu ihren Spaß haben, das muß man verstehen. Daß der Häftling dann gestorben ist – na ja, wie gesagt: sterben müssen wir alle.

Also wegen so einer Lappalie fahren die Amerikaner große Geschütze auf. Aber da haben sie die Rechnung ohne Dich gemacht, Wladimir Wladimrowitsch! Jetzt dürfen sie – man höre! – keine russischen Kinder mehr adoptieren. Das haben Sie davon.

Da hast Du es ihnen aber gegeben!

Und Du zeigst der ganzen Welt, was für ein großes Herz Du hast. Vor allem für die Waisenkinder! Wie sie da in Deinen Heimen aufgereiht in den Bettchen liegen – da geht einem doch das Herz auf. Ja, Wladimir Wladimirowitsch – Du bist wirklich ein guter Mensch.

Das sagt
Dein Lupulus aus dem feindlichen Ausland.

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