In der ARD wird zur Zeit gestorben, was das Zeug hält. Alles, aber auch wirklich alles dreht sich um den Tod: Talkshows, Dokumentationen, Spielfilme. Ein paar Beispiele aus den letzten drei Tagen der ARD-Themenwoche „Leben mit dem Tod“:
Letzte Ruhestätte Türkei
Der Tod muß ein Wiener sein
Wie wir sterben wollen
Der Tote im Nachtzug
Zeit der Trauer – allein weiterleben
Dinge, die noch zu tun sind
Unheilbar krank – Leben mit dem Tod
Ruhe sanft – in Japan
Heimaterde – Letzte Ruhestätte
7 Tage … unter Toten
Der Tod meiner Mutter
Müssen wir das Trauern neu lernen?
Trauern heißt Lieben
Totenfest mit Pappmaché und Zuckerguß
Jenseitsreisen – Erfahrungen an der Grenze des Todes
Hilfe für unheilbar Kranke
Sie bringen den Tod – Sterbehelfer in Deutschland
Darf ein Arzt beim Sterben helfen?
Reisen ins Jenseits
Ein Friedhof voller Leben
Als der Krieg uns die Eltern nahm
Das Geschäft mit dem Tod
Warum wollte Jakob sterben?
Das Fest der Totengräber
Wenn ein Kind ermordet wird
Wenn es Zeit ist zu sterben
Warum müssen wir sterben?
Das war nur eine Auswahl der ersten drei oder vier Tage der Themenwoche – sie endet erst am kommenden Freitag.
Nun ist der November traditionell ein Monat, in dem man der Endlichkeit des Lebens gedenkt. Das Absterben der Natur lädt dazu ein, und dem entsprechen die Feiertage: Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag. Und – damit ich nicht falsch verstanden werde – es ist richtig, über den Tod zu reden, über ihn Filme zu machen und immer wieder daran zu erinnern, daß wir „mitten im Leben vom Tod umgeben“ sind – oder, wie es im mittelalterlichen Latein heißt:
Media vita in morte sumus.
ABER – und das ist ein ganz großes Aber: es muß doch ein Maß sein in den Dingen, und genau das gibt es offenbar im Fernsehen kaum noch. Irgendwo läuft eine beliebte Kochsendung, und schon gibt es tausend Kochsendungen auf allen Sendern. Einer beginnt mit einer dämlichen ranking show („Die innovativsten Kaninchenzüchter der Nordrheinwestfalen“), und innerhalb von wenigen Monaten haben wir hunderte davon.
Jetzt also: der Tod. Ein wichtiges Thema, vielleicht eines der wichtigsten überhaupt. Man könnte es an einem Tag bündeln (so wie bei 3sat, wo es immer einmal wieder solche Thementage gibt), aber bei der ARD läuft es anders: es beginnt eine Durchforstung der Senderarchive (Suchbegriffe „Tod“ „unheilbar krank“ usw.), und dann überschüttet man den armen Zuschauer von morgens bis abends mit allem, was irgendwie mit Tod und Sterben zu tun hat (sämtliche Talkshows eingeschlossen).
Ich schlage vor, bei den Sendern gute Psychologen einzustellen, die den Programmchefs einmal deutlich sagen, wie so eine „Todeswoche“ auf den normalen Zuschauer (und den will man doch ansprechen!) wirkt: deprimierend. Und er wird am Ende das tun, was doch kein Sender will: abschalten. Drei, vier oder fünf wirklich gute Sendungen über ein solches Thema – das wäre das rechte Maß, das wäre angebracht. Aber eine solche Flut von Sendungen über ein einziges Thema – das kann nicht gutgehen.
Aber in den Sendern der ARD gibt es offenbar keine Psychologen – und in solchen Dingen leider auch keinen Sachverstand.