Die Welt, die immer erdoganfreundlicher wird, zählt den türkischen Ministerpräsidenten jetzt sogar zu den „wenigen Staatsmännern“ in Europa. Aber das ist Unfug – schon weil die Türkei weder geographisch noch kulturell zu Europa gehört.
Nein, ein Staatsmann ist Erdogan nicht, denn dazu gehört ein bißchen mehr, als sich mit Drohungen und lautstarker Kraftmeierei aufzublähen. Zu einem Staatsmann gehören Klugheit, diplomatisches Geschick, Geduld – und auch jene Bescheidenheit, die aus der Selbsterkenntnis kommt.
Nichts davon hat Erdogan.
Wenn die F.A.Z. heute auf Seite eins mit der Überschrift „Erdogan stellt der EU ein Ultimatum“ erscheint, dann sieht man, wes (Un-) Geistes Kind der türkische Ministerpräsident ist. Wer als Gast in ein anderes Land kommt, sollte nicht mit dem Knüppel kommen. Erdogan kommt immer mit dem Knüppel nach Deutschland, nicht erst seit seiner berüchtigten Kölner Rede.
Seine Reden und Interviews strotzen von einer heillosen Selbstüberschätzung. Erst einmal soll natürlich die ganze islamische Welt am türkischen Wesen genesen. Das ist – wenn auch unausgesprochen – der Traum von einem neuen osmanischen Reich. Dann will er auch noch die EU retten, und daß er der Herr über alle Türken und auch über alle türkischstämmigen Menschen überall auf der Welt ist, versteht sich von selbst.
Das alles könnte man auch freundlich vortragen, aber er trägt es immer fordernd, warnend und drohend vor. Nehmen wir nur einmal seine jüngsten Äußerungen beim Besuch in Deutschland. Bis 2023 muß die Türkei Mitglied der EU sein, sonst (da ist schon wieder dieses drohende „sonst“) könne die EU „die Türkei verlieren“. Aber warum sollte die Türkei Mitglied der EU werden? Zu Europa gehört nur ein winziges Zipfelchen des türkisches Staates, und auch in kultureller und militärischer Hinsicht war das osmanische Reich in der langen europäischen Geschichte eher eine Bedrohung als eine Bereicherung. Die Griechen und die Völker des Balkans – sie haben jahrhundertelang unter der türkischen Besetzung gelitten – können ein Lied davon singen. Nichts ist weniger selbstverständlich als die Mitgliedschaft der Türkei in einer europäischen Gemeinschaft.
Genauso aggressiv spricht Erdogan von Zypern. Für ihn ist „Zypern“ das von der Türkei völkerrechtswidrig annektierte Nordzypern. Das eigentliche, griechische Zypern – in der alten Mythologie immerhin die Insel der Aphrodite! – nennt er zynisch, in einer dümmlichen Retourkutsche, „Südzypern“. Auch da würde ein Staatsmann, der diesen Namen verdient, anders reden. Ein Haudrauf, der auch noch Öl ins Feuer gießt, kann das sensible Zypernproblem nicht lösen.
Wenn eine noch rabiatere Sprechweise nötig ist, hat Erdogan seinen Außenminister Bagis. Es gebe nur die Vollmitgliedschaft in der EU – sonst gar nichts. Der deutsche Vorschlag einer „privilegierten Partnerschaft“ ringe ihm nur ein Lächeln ab, sagte Bagis.
Und der EU-Beitritt? Ist vielleicht gar nicht nötig, denn, so formuliert es Erdogan:
Wir sind schon drin. Sechs Millionen Türken leben in Europa.
Na, dann können wir es doch dabei bewenden lassen. Übrigens bestätigt Erdogan, sicher unbeabsichtigt, was Sarrazin und andere über die Bevölkerungsentwicklung in den europäischen Ländern vermutet haben:
Wir sind eine junge, dynamische Nation, und wir wollen so bleiben. Ich sage unseren Familien immer, ihr müsst mindestens drei Kinder bekommen, sonst sehen wir in dreißig Jahren aus wie Deutschland heute.
Es sind – man sieht es – lauter vergiftete Sätze, die man von Erdogan hört. Wer auch nur ein bißchen Kinderstube hat, redet so nicht mit seinen Gastgebern.