Er hat mit seinen Filmen über den Rothirsch, die Spinne und das Hausschwein deutsche Fernsehgeschichte geschrieben. Das war in den 70er Jahren. Ich erinnere mich noch gut an die Verblüffung überall im Land. So hatte noch nie einer über Tiere gesprochen! Natürlich gab es auch schon vorher Tierfilmer: Professor Grzimek zum Beispiel oder Heinz Sielmann. Aber Horst Stern war anders, ganz anders. Und das lag daran, daß er nicht in erster Linie Tierfilmer oder Biologe war, sondern Journalist. Er beherrschte die Sprache, und er setzte sie ein – und wie! Scharf, pointiert, oft provokativ war er. An manche seiner Sätze erinnert man sich auch nach 30 oder 40 Jahren noch.
An Heiligabend 1971 liefen in der ARD seine „Bemerkungen über den Rothirsch“. Wer jünger ist, möge sich das einmal vorstellen: um 20.15 Uhr im Ersten an Heiligabend zeigte man eine Dokumentation, die mit ihren Bildern, aber erst recht mit der provozierenden sprachlichen Schärfe gegen die Scheinheiligkeit der Jäger Geschichte schrieb. Die bloße Vorstellung, daß so eine Sendung auch 2012 möglich wäre, kommt einem völlig absurd vor. Damals war sie möglich. Natürlich gab es noch in der Heiligen Nacht heftige Proteste, aber der SDR-Fernsehdirektor Jaedicke wies sie kurz und bündig (und in fast Stern’scher Manier!) zurück:
Wenn jemand an Heilig Abend das Fernsehen überhaupt braucht, um sich in weihnachtliche Stimmung zu versetzen, dann soll er das ZDF anschalten, da singen die Regensburger Domspatzen.
Der letzte Satz der „Bemerkungen über den Rothirsch“ lautete übrigens:
Ich meine, dieses ernste Thema war eine knappe Stunde Ihrer stillsten Nacht des Jahres wert. Man rettet den deutschen Wald ja nicht, indem man ,O Tannenbaum‘ singt.
Der Wald und seine Gefährdung – sie wurden zu einem der großen Themen von Horst Stern, nicht nur in seinen Filmen, sondern auch in der Zeitschrift Natur, deren Herausgeber er vier Jahre lang war, und in seinem zurecht berühmten Buch Rettet den Wald. Und natürlich auch im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den er mitgegründet hat.
Horst Stern war ein herausragender Journalist – aber nein, das klingt ja schon wie ein Nachruf. Dabei lebt er doch noch, und er wird heute neunzig. Er hat sich vor langer Zeit enttäuscht aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, deshalb kann man nur hoffen, daß er bei einigermaßen erträglicher Gesundheit ist. Ich wünsche es ihm sehr!
In gewisser Weise war Horst Stern einmalig – weder vor ihm noch nach ihm hat es je einen so kraftvollen, temperamentvollen, messerscharf formulierenden Anwalt der Natur gegeben. Vielen hat er die Augen geöffnet – auch mir. Er hat die Natur herausgeholt aus dem bloß Niedlichen und Possierlichen, er hat ihre Größe, ihre Kraft, ihre Schönheit gezeigt, aber immer auch ihre Gefährdung.
Zwanzig Jahre lang hat er gekämpft, in allen Medien, und mit seiner ganzen Kraft. Dann, in den 90er Jahren, als die grüne Bewegung verebbte, als sie schwach und zahnlos wurde, als es mit einem Mal schien, als werde der Naturschutz nur noch in unteren und oberen Behörden auf dem Papier verwaltet – da begann das lange Schweigen des Horst Stern.
Es dauert bis heute an.
Und er hat natürlich jedes Recht dazu! Wer so energisch und mit soviel Herzblut gekämpft hat und dann sehen muß, wie langsam alles Saftige, Vitale aus der Bewegung verschwindet, wie auch in die Naturschutzverbände eine bürokratische Ingenieursmentalität einzieht, dem bleibt nichts als das Schweigen.
Und doch ist es schade, daß man seine Stimme nicht mehr hört, denn ohne Menschen wie Horst Stern geht es mit der Menschheit nicht voran.