„Schlechte Bezahlung wird normal“ – aber warum?

Daß schlechte Bezahlung normal wird, wie die Frankfurter Rundschau titelt, läßt sich belegen. In dem Artikel heißt es:

Betroffen von Niedriglöhnen seien vor allem atypisch Beschäftigte. Dazu würden Teilzeit von bis zu 20 Wochenstunden, befristete Beschäftigung, Zeitarbeit und Minijobs gezählt. Fast jeder Zweite (49,8 Prozent) von ihnen habe einen Niedriglohn erhalten. Besonders ausgeprägt sei dies bei 400-Euro-Jobbern: 84,3 Prozent bekommen nur einen Niedriglohn.

Anders als uns die Regierung und die Arbeitgeberverbände weismachen wollen, sind diese Jobs ganz und gar nicht der Einstieg in den „normalen“ Arbeitsmarkt. Ganz im Gegenteil: meist befindet man sich mit ihnen auf einem Abstellgleis. Und der prozentuale Anteil der Arbeitnehmer, die für solche Billiglöhne arbeiten, ist weiter gestiegen: von 18,7 % im Jahr 2006 auf jetzt 20,6 %.

Besonders hoch ist ihr Anteil, wie man in dem Artikel liest,

unter Taxifahrern, Friseuren sowie im Reinigungsgewerbe. In Restaurants und Gaststätten, Wäschereien und chemischen Reinigungen sowie in Kino bekämen drei von vier Beschäftigten einen Niedriglohn.

Nun mag es ja sein, daß hin und wieder ein kleiner Friseursalon, der auch noch mit steigenden Mieten zu kämpfen hat, einfach nicht mehr zahlen kann. Aber die Regel ist wohl eher, daß hier Ketten und durchaus gesunde Unternehmen auf Kosten ihrer Mitarbeiter sehr viel Geld verdienen. Das geht nur, weil gerade in den betroffenen Branchen kaum jemand gewerkschaftlich organisiert ist, was von den Unternehmen brachial ausgenutzt wird. Wenn man liest, daß 87 % der Taxifahrer, 86 % der Beschäftigten in Reinigungsbetrieben und 77 % der Arbeitnehmer in Gaststätten Niedriglöhne bekommen, wird doch auf erschreckende Weise klar, daß hier Menschen in einer Weise ausgebeutet werden, die man lange für überholt gehalten hat. Mehr als eine halbe Million Vollzeitbeschäftigte verdienen so wenig, daß sie vom Staat Hartz IV benötigen. Das heißt doch auf gut Deutsch: die Unternehmen wälzen, während sie selbst gut verdienen, die Lasten auf den Staat, also auf den Steuerzahler ab. Das darf so nicht weitergehen.

Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, hat kürzlich ausgerechnet, daß ein Arbeitnehmer, der einen Durchschnittslohn von 2.500 Euro bekommt, nach 35 Arbeitsjahren eine Rente erwarten kann, die in etwa der Grundsicherung entspricht. Davon kann er nicht leben und nicht sterben. Wieviel Rente, muß man da fragen, bekommt dann jemand, der das halbe Leben lang nur für Billiglöhne gearbeitet hat?

Die Rentenmodelle, die auf zusätzlichen privaten Versicherungen beruhen, sind gerade für diese Arbeitnehmer ungeeignet. Sie haben schlicht und einfach nicht das Geld übrig, die Prämien zu bezahlen. Hier muß man die Arbeitgeber, wenn sie denn von sich aus nicht einmal zu einem halbwegs moralischen Handeln bereit sind, von zwei Seiten aus in die Pflicht nehmen: durch einen gesetzlichen Mindestlohn und, obgleich das nicht leicht sein wird, durch eine höhere gewerkschaftliche Organisation in den Billiglohnbranchen.

Viele Unternehmen haben sich inzwischen daran gewöhnt, ihre Mitarbeiter mit Hungerlöhnen abzuspeisen. Freiwillig werden sie damit nicht aufhören.

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