Nur die Größe zählt – jedenfalls für Oettinger

Der frühere Ministerpräsident Oettinger – heute Energiekommissar der EU – hat in seinem Leben schon viel dummes Zeug geredet. Man wird sich an seine Prophezeiung erinnern, daß die deutsche Sprache bald nur noch in der Stube gesprochen würde. Sobald man das Haus verlasse, also zum Beispiel in der Arbeitswelt, solle man gefälligst englisch miteinander reden.

Und in diesem Stil macht er weiter. In einem Interview mit BILD (hier nachzulesen) sagt er jetzt:

Die Nationalstaaten in Europa sind alleine viel zu klein.

Das ist ein Satz, über den man lange nachdenken kann. Warum alleine? Und zu klein wofür? Um zufrieden und glücklich zu sein? Das kann man auch in Dänemark, wahrscheinlich sogar in Andorra oder Liechtenstein.

Aber natürlich denkt ein Oettinger in größeren Dimensionen. Deshalb fügt er eine Erklärung hinzu:

Deutschland als größtes Land der EU stellt in wenigen Jahren nur noch ein Prozent der Weltbevölkerung. Wenn wir in der Weltpolitik noch eine Rolle spielen wollen, brauchen wir eine Größe wie die EU.

Jetzt kommen wir zum Kern der Sache – die Weltpolitik! Da wollen wir natürlich mitmischen. Und für Oettinger scheint das ein mathematisch faßbares Problem zu sein. Ein Prozent der Weltbevölkerung? Das geht einfach nicht. Das ist zu wenig für die Weltpolitik. Wir müssen uns also einen europäischen Bundesstaat basteln. Und nachdem wir schon die deutsche Sprache aufgegeben haben (jedenfalls nach dem Verlassen des Hauses!), geben wir nun auch unser Grundgesetz auf und opfern es auf dem Altar der Brüsseler Bürokratie.

Denn: big is beautiful!

Wenn man über einfache geistige Strukturen verfügt, ist das plausibel. Jetzt nehmen wir aber einmal an (diese Annahme muß erlaubt sein!), es gebe einen Politiker mit einem gehobenen Denkvermögen. Und der könnte jetzt tatsächlich fragen: muß das sein? Warum muß man in der Weltpolitik unbedingt eine Rolle spielen? Uns Deutschen ist es jedenfalls durchweg eher schlecht ergangen, wenn wir in der Weltpolitik eine Rolle gespielt haben, das könnte man, glaube ich, sogar mathematisch und statistisch beweisen.

Zum Beispiel: kulturell zehren wir bis heute von der Goethezeit, als sprachlich und literarisch die Grundlagen unserer heutigen Kultur entstanden. Haben wir damals in der Weltpolitik eine Rolle gespielt? Wahrhaftig nicht. Es gab keinen deutschen Nationalstaat, und das Großherzogtum Sachsen-Weimar war – politisch! – ein armseliger Spielball der europäischen Mächte. Und mitten in dieser politischen Armseligkeit sind die Werke von Goethe, Schiller, Herder, Wieland und Hölderlin entstanden – von den Komponisten und Malern gar nicht zu reden.

Ein halbwegs vernunftbegabter Mensch muß sich bei diesem Zusammentreffen von kultureller Blüte und politischer Zerrüttung schon fragen: ist die Weltpolitik wirklich so wichtig? Nein – sie fördert weder die Kultur, noch macht sie uns zu glücklicheren Menschen. Sie fördert die Militärausgaben, sie macht uns immer abhängiger von den Finanzmärkten, sie kostet viel, sehr viel Geld, oder – um ein Wort aus der Jugendsprache zu gebrauchen – sie macht einfach nur Streß.

Natürlich will man nicht wie damals Sachsen-Weimar hilfloser Spielball der Mächte sein. Aber es gibt doch noch Grautöne zwischen Schwarz und Weiß. Wir haben immer noch genug fleißige, gewissenhafte Menschen, um wirtschaftlich gut dazustehen, weil wir anders als China mit Qualität punkten können. Massenhaften, billigen Schrott mögen andere produzieren.

Auch wenn jetzt vielleicht mancher skeptisch dreinblickt: in einer Nische lebt es sich letztlich besser als im internationalen Kampfgetümmel. Da geht es menschlicher zu, das heißt: dem Menschen gemäßer. Das ist ja auch der große Vorteil der Provinz gegenüber den Metropolen. Im schlechten Sinne provinziell ist eher die dümmliche Anbetung der „Weltpolitik“ und der englischen Sprache durch einen Politiker, der so durch und durch provinziell ist wie Herr Oettinger.

Aber es hilft nichts: statt der gemütlichen Bonner Republik haben wir jetzt die Berliner Republik, wir sind wieder wer, wir mischen mit in der Weltpolitik, wir wollen groß hinaus.

Aber was macht das mit uns?

Wir sollen eingeschmolzen werden in einen europäischen melting pot, wir sollen unsere Seele verkaufen. Nein, das ist keine Übertreibung, und jeder Vergleich mit den Vereinigten Staaten ist hier völlig fehl am Platz. Die USA haben sozusagen in einem Niemandsland bei Stunde Null begonnen, wir haben – jedes Land für sich – eine lange, lange Geschichte hinter uns. Das läßt sich nicht einebnen. Und das darf nicht eingeebnet werden. Warum auch?

Ich liebe dieses Land, in dem ich aufgewachsen bin. Ich liebe vor allem seine wunderbare Sprache, seine Literatur, ich liebe seine schönen Wälder. Und ich habe große Hochachtung vor der demokratischen Tradition meines Landes, deren Höhepunkt unser Grundgesetz ist. Für all das sollten wir kämpfen, denn nichts haben wir geschenkt bekommen, und alles ist immer gefährdet – sogar die Wälder, die davon bedroht sind, nur noch als Standort der Merkelschen Windkraftanlagen mißbraucht zu werden.

Das alles zusammen ist mein Land, ganz im Sinne des schönen Folksongs von Woody Guthrie: This land is your land, this land is my land. Dieses Land gehört nicht Günther Oettinger, es gehört nicht Schwarz-Gelb, es gehört nicht Renate Künast, es gehört schon gar nicht der Deutschen Bank oder dem Dax.

Dieses Land gehört – dir und mir.

Darum lohnt es sich auch, dafür zu kämpfen. Nichts davon möchte ich aufgeben für den Moloch Brüssel, gar nichts – schon gar nicht unser Grundgesetz, unser Parlament oder unser Bundesverfassungsgericht. Nein – ich bin für eine enge Zusammenarbeit in Europa, und für freundschaftliche Beziehungen mit allen Ländern, die guten Willens sind. Aber ich bin strikt dagegen, daß wir unsere Souveränität aufgeben. In diesem Punkt möchte ich auch Helmut Schmidt energisch widersprechen.

Wir haben nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang friedlich und am Ende auch freundschaftlich mit unseren europäischen Nachbarn zusammengearbeitet. Warum brauchen wir dafür auf einmal eine aufgeblähte Bürokratie und immer mehr zentrale Instanzen?

Wir brauchen sie nicht. Und ich will sie auch nicht.

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