Die politische Korrektheit ist die Pest unserer Zeit – nein, nicht die einzige, aber eine, die Menschen mit einem Gefühl für Sprache (und Sprachgeschichte!) wirklich wehtut. Überall bilden sich seit einigen Jahren kleine Gruppen von „Menschenrechtlern“, die glauben, sie hätten die polizeiliche Oberhoheit über die deutsche Sprache. Es sind die Sprach-Blockwarte unserer Zeit.
Nehmen wir das Zigeunerschnitzel. In Österreich bedrängt eine „antirassistische“ Vereinigung mit dem dramatischen Namen SOS Mitmensch die Wirte und Cafébesitzer, diesen und alle anderen „diskriminierenden Speise- und Getränkenamen“ auf ihren Speisekarten durch politisch korrekte Namen zu ersetzen. Dieser Verein („Spenden sind absetzbar!“) setzt sich, wie er selbst sagt, „lautstark und tatkräftig für die Durchsetzung der Menschenrechte“ ein. Er besteht also ausschließlich aus guten Menschen. Aber gute Menschen müssen nicht unbedingt kluge Menschen sein. Gute Menschen müssen auch nicht unbedingt begreifen, daß die Sprache ein bißchen mehr ist als ein Spielzeug in den Händen von guten Menschen. Sie sehen in der Sprache etwas für sie immer Verfügbares, eine Art Wachs, das sie einschmelzen und dann, ganz wie es ihnen gefällt, zu politisch korrekten Wörtern umschmelzen können. Etwas Unverfrorenes liegt in dieser Einstellung, und auch etwas ganz und gar Un- und Antihistorisches. Die Moral – c’est moi, sagen sie. Sie sind die Evangelikalen der Sprachkritik, sie haben dieselbe fundamentalistische Humor- und Respektlosigkeit, alles ist immerfort so in Moral, in Gendergerechtigkeit, in Antirassismus, in ewige Gerechtigkeit getränkt – daß einem fast übel wird.
Mit einer vernünftigen Einstellung zu Sprache und Sprachgeschichte hat das alles nichts zu tun. Kein Sinti, kein Roma wird „beleidigt“, wenn ich ein Zigeunerschnitzel Zigeunerschnitzel nenne. Überhaupt nimmt das Katz- und Mausspiel um das Wort „Zigeuner“ allmählich absurde Züge an. Die Polizei darf einen verdächtigen Griechen Griechen nennen, und einen gesuchten Kroaten Kroaten. Aber ein verdächtiger Zigeuner ist niemals ein Zigeuner, denn Zigeuner gibt es nicht mehr, seit wir alle gut, gerecht und antirassistisch sind. Er ist allenfalls ein Sinti und Roma, was aber auch nicht geht, weil er ja nur entweder Sinti oder Roma sein kann. Die Polizei greift dann zu so abstrusen Umschreibungen wie „gewöhnlich umherziehende Personengruppen“.
Das Zigeunerschnitzel jedenfalls, das noch aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie stammen soll, ist und bleibt ein Zigeunerschnitzel, und ich kann nur allen Restaurants empfehlen, sich von diesen moralisierenden Grüppchen nicht einschüchtern zu lassen.
PS: Die Mohrenköpfe und Negerküsse unserer Kindheit sind von der Sprachpolizei seit langem verboten. Als nächstes wird jetzt (hier nachzulesen) die alte österreichische Süßspeise „Mohr im Hemd“ angegriffen. Ein übereifriger Gastwirt hat sie schon umbenannt in „heißer Schoko-Nuss-Gugelhupf mit Schokosauce und Schlagobers“. Da erübrigt sich jeder Kommentar.