Sophie Albers vom Stern, die ich schon einmal wegen ihrer – Achtung, Ironie! – gediegenen Sprachkunst gewürdigt habe, hat in ihrem Blatt (hier nachzulesen) einen Artikel veröffentlicht, den man an allen Schulen zur Pflichtlektüre machen sollte: als Musterbeispiel für diffamierenden Journalismus, dem es nicht um Aufklärung, sondern um Herabsetzung geht. Das mit den Schulen meine ich ernst, denn man kann an einem solchen Text ganz wunderbar herausarbeiten, wie aus einem Menschen ein Untermensch gemacht wird.
Frau Albers ist für den Stern dabei, als Sarrazin im „Nobelhotel“ Adlon sein neues Buch vorstellt – einer wie Sarrazin wählt natürlich „ein prunkvolles Ambiente“, und er kommt auch nicht einfach herein:
Sarrazins Einzug ist gespenstisch. Mit Personenschützer, ohne ein Wort, fast geräuschlos gleitet er zum Podium.
Ja, was hätte er eigentlich sonst tun sollen? Gleich an der Tür schon lospoltern? Auf den Bodyguard verzichten, weil die linke Berliner Szene, wie man ja weiß, keiner Fliege etwas zuleide tun könnte? Und dann gleitet er auch noch fast geräuschlos zum Podium. Wenigstens ein bißchen schlurfen hätte er doch können, oder mit dem Fuß stampfen! Aber nein, er gleitet. Wirklich gespenstisch.
Es kommt aber noch schlimmer: Sarrazin schaut ins Publikum!
Er scannt den Raum, jedes Gesicht, der Blick zuckt zwischen den Stuhlreihen … Und Sarrazin wird nicht aufhören zu scannen, bis die Veranstaltung vorbei ist.
Eine bedrohliche Situation, die von der ehemaligen Literaturstudentin in eindringlicher Sprache beschrieben wird. Aber dann hat sie ein Problem: denn neben Sarrazin sitzt mit Stefan Homburg ein renommierter Finanzwissenschaftler. Er ist Professor an der Universität Hannover und ein geschätzter Fachmann für die öffentlichen Finanzen. Und er nennt Sarrazins Buch zum Entsetzen von Frau Albers „tiefgehend und fundiert“. Aber das macht sie nicht sprachlos, im Gegenteil: sie nennt ihn einen „angekarrten Finanzwissenschaftler“ und spricht von seiner „beeindruckenden Arroganz“. Professor Homburg ist für sie nur ein „Kompagnon“, ein „offenkundiger Sarrazinist“. Ja, wer einem Untermenschen wie Sarrazin zu nahe kommt, wird gleich mit abgefertigt.
Sarrazin selbst „drückt das Kreuz durch“, ehe er beginnt. Kein Wunder, denn er ist ja ein „kerzengerader Nationalist“ – „ohne dass es jemand benennen darf“. Wie bitte? Nicht benennen darf? Ich lese jedenfalls kaum etwas anderes in der Presse.
Sophie Albers ist zwar keine Psychologin, aber für ein kleines Küchenpsychogramm reicht es allemal: Sarrazin „fühlt sich von allen verkannt“. Dabei möchte er doch nur als Menschenfreund angenommen werden:
Sarrazin, ein Menschenfreund? Zumindest innerhalb der Grenzen Deutschlands würde er wohl gern als solcher gesehen werden. Alles zu unserem Besten.
Was soll man jetzt, ganz ohne Ironie, zu dem Artikel von Frau Albers sagen? Erst einmal, daß er ein kleines Kabinettstück des Diffamierungsjournalismus ist. Es gibt nur süffisante Bemerkungen ad hominem, die Thesen des Buches spielen keine Rolle. Es soll eine kleine Hinrichtung werden.
Man muß Sarrazin nicht mögen, und man muß seine Ansichten nicht teilen. Aber wenn jemand ein Buch schreibt, dann soll man gefälligst seine Thesen widerlegen, statt den Autor zu verunglimpfen. Alles andere ist unanständig.