Chinesische Barbarei

„Gegen die Barbarei!“ – das ist das Motto meines Blogs, und deshalb ist die Parteidiktatur in China immer wieder Gegenstand von Berichten (und so wird es bleiben, bis sie verdienterweise auf dem Müllhaufen der Geschichte landet).

In dieser Woche wurden die Bürgerrechtlerin Ni Yulan zu zwei Jahren und acht Monaten, ihr Ehemann Dong Jiqin zu zwei Jahren Haft verurteilt (hier nachzulesen). Das Pekinger Gericht, das dieses Schandurteil aussprach, nennt sich übrigens „Volksgericht“. Das Verbrechen der beiden Angeklagten: „Unruhestiftung“.

Ni Yulan ist Rechtsanwältin, sie hat vor allem Opfer von Zwangsvertreibungen vertreten. Es ist in China an der Tagesordnung, daß Häuser und ganze Stadtviertel „entwohnt“ werden: die Bewohner werden gegen ihren Willen und ohne jede rechtliche Grundlage vertrieben, die Häuser abgerissen, dann stellen Spekulanten profitablere Gebäuden hin und verdienen sich damit eine goldene Nase. Dieses Unrecht wird fast immer von korrupten Behörden und Politikern gedeckt, die selber daran gut verdienen. Wenn es zu Widerstand kommt, schreitet die Polizei ein – notfalls hat man Schlägerbanden an der Hand, die mit ihren Prügeln jeden Widerstand brechen.

Das alles ist selbst nach chinesischem Recht illegal, aber darum kümmert sich niemand. Wenn aber doch einmal ein Anwalt den Mut hat, die Opfer dieser Willkür vor Gericht zu vertreten, dann geht es ihm so wie jetzt Ni Yulan und Dong Jiqin. Ni Yulan war schon zweimal für mehrere Jahre im Gefängnis, und sie ist dort von den Schergen des Regimes so mißhandelt worden, daß sie jetzt im Rollstuhl sitzt.

Wenn Sie Interesse an den chinesischen Zuständen haben, möchte ich Ihnen dringend den Bericht von Liao Yiwu ans Herz legen, der erfreulicherweise noch auf der Online-Seite der Frankfurter Allgemeinen abrufbar ist. Liao Yiwu hat miterlebt, wie man nach dem Aufstand in den arabischen Ländern in China immer mehr Menschen verschleppt hat:

Meine Freunde, die Menschenrechtsanwälte Teng Biao und Jiang Tianyong, die zur Verteidigung der zu Unrecht Inhaftierten angetreten waren, wurden auf offener Straße von maskierten Unbekannten in einem Wagen ohne Kennzeichen entführt und an einen unbekannten Ort verschleppt. Mein Schriftstellerkollege Yu Jie, der öffentlich die Absicht geäußert hatte, eine „kritische Biographie“ Liu Xiaobos zu publizieren, wurde für mehrere Monate unter Hausarrest gestellt und eines Tages von einer Gruppe Maskierter entführt und zusammengeschlagen.

China ist zu einer kriminellen Unterwelt verkommen, in der man ohne jeden Grund Menschen verschleppen kann. „Vermisst“ ist in jüngster Zeit zu einem der häufigsten Schlagwörter im chinesischen Internet avanciert.

Liao Yiwu selbst ist es unter abenteuerlichen Umständen gelungen, über die Grenze nach Vietnam zu flüchten. Er lebt heute in Berlin.

„Ich mußte gehen, um die Wahrheit aufzuschreiben“, sagt er in seinem anrührenden Bericht, und wenn man sieht, wie er – wirklich nur um der Wahrheit willen! – alles zurückgelassen hat, die chinesische Heimat, seine Freunde, die eigenen Wurzeln, dann erscheint im Vergleich das großspurige Gedicht von Günter Grass („Jetzt aber … sage ich, was gesagt werden muß“) wie die Selbstbeweihräucherung eines satten und wohlhabenden Dichters, der mit den Gefahren beim Aussprechen der Wahrheit nur kokettiert.

Für Liao Yiwu aber und die vielen unbekannten Opfer des Unrechtsstaates China ist das alles bitterer Ernst.

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