Wiesbaden, eines der ältesten Kurbäder Europas, gegenüber von Mainz schön am Rhein gelegen, ist zugleich die Hauptstadt des Bundeslandes Hessen. Seine Innenstadt wird noch nicht, wie die der meisten anderen Städte, völlig von den immergleichen Ketten von Douglas bis H&M beherrscht – hier kann man noch Entdeckungen machen. Und Wiesbaden hat eine Umgebung, die man ruhig malerisch nennen darf. Der Neroberg mit seinem Monopteros und den Weinbergen ist weithin bekannt.
Westlich der Stadt schließt sich der nicht weniger malerische Rheingau an – über seine geplante Verschandelung durch Windkraftmonster habe ich vor ein paar Tagen berichtet. Jetzt kommt die erschreckende Meldung (gestern im Lokalteil der F.A.Z. zu lesen): auch Wiesbaden besteht jetzt darauf, seine Gemarkung mit Windrädern zu verschandeln. Gegen die Stimmen von FDP und Bürgerliste haben die Stadtverordneten beschlossen, den Ausbau der Windkraft in Wiesbaden voranzutreiben.
Der Umweltdezernent Arno Goßmann (SPD) wird mit den Worten zitiert:
Wir haben genügend Wind, um auf dem Taunuskamm wirtschaftlich rentable Windräder zu betreiben.
Genügend Wind ist also da – aber genügend Verstand offenbar nicht. Denn gerade eine Kurstadt lebt doch auch von der Schönheit ihrer Umgebung – und gerade die soll jetzt zerstört werden. Aber natürlich wird der Bürger in alle Entscheidung „eingebunden“ (wahrscheinlich so fest, daß er fast daran erstickt). Wiesbaden will deshalb seine Entscheidung
mit einer breiten Bürgerbeteiligung und einer breiten Öffentlichkeitsarbeit begleiten.
Man muß freilich schon sehr dumm sein, wenn man glaubt, daß die Wiesbadener Bürger wirklich über die Windräder mitentscheiden dürfen. Es ist, wie es der Fraktionsvorsitzende der Bürgerliste gesagt hat:
Das Ergebnis der Beteiligung steht schon fest, bevor sie angefangen hat.
Die Beteiligung wird so aussehen: das Parlament beschließt die Windräder, dann wird eine Hochglanzbroschüre an alle Haushalte verteilt – und dann wird, ohne Verlierung einer Minute, der Pachtvertrag mit den Windkraftbetreibern unterschrieben.
Die Grünen rufen den großen Parteien ein begeistertes „Willkommen im Club!“ zu und bestehen darauf, daß sie es waren, die es geschafft haben (man beachte die elegante Formulierung),
die große Koalition auf den Taunuskamm zu tragen.
Was für ein Trauerspiel, wenn man mitansehen muß, wie die Grünen – egal, wohin man blickt – zu einer reinen Klientelpartei der Windkraftlobby verkommen sind. Schönheit und intakte Natur? Scheiß drauf! (Ich entschuldige mich nicht für diese Wortwahl, weil sie der grünen Barbarei völlig angemessen ist.)
Wenn wir schon von der Bedeutung von Wörtern sprechen – der Wiesbadener Umweltdezernent will sogar mit den Nachbarkommunen wetteifern, was die Aufstellung der Windräder betrifft, und er beschreibt das mit einem bezeichnenden Satz:
Jetzt werden die Claims abgesteckt.
Das trifft genau den Punkt, denn „Claims“, das waren ja bei den Goldgräbern in der Vereinigten Staaten die behördlich registrierten Grundstücke, in denen nach Gold gegraben werden durfte. Und um eine Goldgräberstimmung geht es auch heute bei der Windkraft. Da wird das Geld der Steuerzahler mit vollen Händen verschwendet, und die Unternehmen haben so viel davon, daß sie ganze Dörfer damit überschütten können, um an Standorte für ihre Windräder zu kommen. Natürlich entsteht dadurch eine „Goldgräberstimmung“ – bei den Bauern, die noch irgendwo am Ortsrand einen Acker besitzen, bei den Städten und Kommunen, und auch bei privaten Waldbesitzern: sie erhalten gleich haufenweise „unmoralische Angebote“ von der Windkraftindustrie, und man kann es ihnen kaum verdenken, daß sie darauf eingehen. So eine Chance, für wenig ertragreiches Land feste (und sehr respektable!) jährliche Pachteinnahmen zu bekommen, kommt vielleicht nie wieder, da wird man leicht schwach.
Wer aber nicht korrumpierbar ist, weil er kein Land besitzt, der gehört vielleicht zu jenem rückständigen Menschenschlag, für den der „Umweltdezernent“ sogar Verständnis empfindet. Diese Bürger
hätten eine bestimmte Silhouette vor Augen, die sie nicht missen wollten.
Aber so altmodische Einstellungen muß man halt bekämpfen als fortschrittlicher Umweltdezernent. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann hilft – Heidenrod im Hintertaunus. Hier wohnen windkraftbegeisterte Menschen zuhauf, sie sind ein leuchtendes Vorbild für alle – von ganz oben (Merkel, Künast & Co.) bis hinunter zum letzten Bäuerlein, das den geerbten Acker zu Geld machen will. In Heidenrod nämlich ist über die Windräder in einem von der SPD und den Grünen initiierten Bürgerbegehren abgestimmt worden, und zwar mit folgender Frage, die es in sich hat:
Sind Sie dafür, dass zur Erzeugung von umweltfreundlicher, erneuerbarer Energie und zur Verbesserung der Einnahmesituation der Gemeinde nordöstlich der B 260 zwischen dem Egenrother Stock und der Landesgrenze bei Holzhausen Großwindkraftanlagen errichtet werden?
Ich übersetze das einmal, so wie es gemeint ist:
Sind Sie, wie es sich für einen anständigen Bürger dieser Kommune gehört, für Natur und Umwelt, oder sind Sie etwa ein Umweltferkel? Wollen Sie, daß Ihre Gemeinde ganz, ganz, ganz viel Geld mit der Windkraft einnimmt, oder wollen Sie dafür verantwortlich sein, daß diese einmalige Chance für unser schönes Heidenrod verlorengeht?
Ja, so sieht Demokratie auf dem Dorfe aus. Ein echtes Vorbild für das Kurbad Wiesbaden!
Ich muß gar nicht hinzufügen, daß sich angesichts dieser Suggestivfrage weit über 80% der Bewohner von Heidenrod für die Windräder entschieden haben. Der örtliche CDU-Chef sagt es ganz offen: der zu erwartende Geldsegen habe seine Partei „milde gestimmt“.