Wenn irgendwo in einer Behörde oder einer staatlichen Institution etwas schiefgeht, liest man in den Leserbriefen der Zeitungen und in den Internetforen immer wieder den stereotypen Satz: „Ja, in der Privatwirtschaft wäre so etwas nicht passiert!“
Da kann ich, liebe Leser, nur milde lächeln. Die angeblich so rationale, von praktischer Vernunft gesteuerte Privatwirtschaft erweist sich, sobald man sie etwas genauer betrachtet, als ein Narrenhaus, in dem es wirklich viel schlimmer und verrückter zugeht als je in einer der altmodischen Behörden.
Das läßt sich am besten beurteilen, wenn man den Zustand eines Unternehmens vor und nach seiner Privatisierung vergleicht.
Bahn und Post zum Beispiel waren, als sie noch staatlich waren, bei allen (behebbaren!) Schwächen immer ein Vorbild für die Welt – und was ist daraus unter Mehdorn und Zumwinkel geworden? Das weiß jeder, der mit der Bahn fahren oder in immer größeren Zustellbezirken Briefe austragen muß. Da wird von Kompetenz und Kundendienst geschwafelt – in Wirklichkeit geht es nur darum, auf dem Rücken der Mitarbeiter und der Kunden die Kosten zu senken.
Und so ist es fast überall. Da kann ich mich nur immer wieder über die hohe Meinung wundern, die viele von der Rationalität und Effizienz in der privaten Wirtschaft haben. In Wirklichkeit geht es da oft zu (ich sage es noch einmal) wie einem Narrenhaus.
Nichts wird nämlich besser, wenn privatisiert wird, gar nichts – egal ob es sich um eine Stadtgärtnerei, eine Behörde oder eine Klinik handelt. Hier in Hessen sind vor sechs Jahren die beiden Unikliniken Gießen und Marburg erst zusammengelegt und dann in eine GmbH umgewandelt worden. Seither häufen sich, wie man zum Beispiel in der Wikipedia nachlesen kann, die Beschwerden von Ärzten, Patienten und Mitarbeitern. Als jetzt auch noch 500 Stellen gestrichen werden sollten, protestierten 1.200 Mitarbeiter gegen die Betreiberfirma, um das Schlimmste zu verhindern.
Wer also meint, daß es in der Privatwirtschaft vernünftig und rational zugehe, oder doch wenigstens vernünftiger und rationaler als in einer Behörde, dem kann ich nur sagen: schön wär’s ja.