Angela Merkel hat viele Jahre lang ein seltenes politisches Gespür bewiesen. Als „Kohls Mädchen“ belächelt, hat sie – ohne öffentliches Aufbegehren gegen ihren Mentor – im Stillen ihren Aufstieg vorbereitet: mit Erfolg. Nach ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin im Jahr 2005 ist es ihr gelungen, praktisch jeden innerparteilichen Konkurrenten wegzuloben. Nur der niedersächsisches Ministerpräsident Christian Wulff war noch übrig. Deshalb mußte er auf Biegen und Brechen zum Bundespräsidenten gemacht werden.
Jetzt ist Wulff zurückgetreten – viel zu spät, aber immerhin: er hat sich nicht wie der Duisburger Oberbürgermeister Sauerland bis zur allerletzten Minute ans Amt geklammert.
Auch wenn die Popularität der Kanzlerin in den letzten Tagen wieder leicht angestiegen ist: ihr Stern sinkt. Das liegt vor allem an ihr selbst. Es scheint, als habe sie immer weniger Gespür für die richtigen Entscheidungen. Schon die Erwartung, mit der FDP – mit dieser FDP! – könne man langfristig eine gemeinsame Politik betreiben, war irrig. Westerwelle, Rösler, Lindner usw. – das sind politische Leichtgewichte, die inzwischen zu Lachnummern geworden sind. War das nicht vorauszusehen?
Ihr schwerster Fehler aber war, daß sie Christian Wulff zum Bundespräsidenten gemacht hat. Hier hat sie eine machtpolitische – und eine erschreckend falsche Entscheidung getroffen. Denn mit Joachim Gauck hat ein integrer, kluger Kandidat zur Verfügung gestanden, der fast so etwas wie ein Idealkandidat war. Er hätte zur Versöhnung der noch immer starken wirtschaftlichen, aber vor allem auch mentalen Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland beitragen können, und gleichzeitig – ach, so viele Konjunktive! – hätte er helfen können, die oft verächtliche Meinung, die wir, leider in vielen Fällen berechtigt, von unserer politischen Klasse haben, wenigstens ein bißchen zu korrigieren. Daß sie ihren „Parteisoldaten“ Wulff gegen jede Vernunft einem so hochkarätigen und menschlich integren Kandidaten vorgezogen hat, zeigt ihre Grenzen.
Jetzt wird auch die FDP, die in der Koalition mit der CDU keine Chance hat, auf einen grünen Zweig zu kommen, ihren „Rücktritt“ aus dem gescheiterten Bündnis strategisch vorbereiten, denn mit Angela Merkel – das steht fest – wird sie die Fünfprozenthürde nicht mehr überschreiten können.
Es werden also auf jeden Fall politisch turbulente Monate auf uns zukommen.