Petra Seibert, Rektorin einer Schule im bayerischen Passau, hat in einem Aushang in ihrer Schule darauf gedrungen, man möge doch nicht immer und jedem gegenüber die Grußformeln „hallo“ und „tschüs“ verwendet, sondern auch beim Grüßen differenzieren. Es ist schließlich, meint sie, ein Unterschied, ob man einen Gleichaltrigen begrüßt oder einen Lehrer oder seinen zukünftigen Chef. Sie empfiehlt ausdrücklich die alten bayerischen Grußformeln wie „Grüß Gott“ oder „Servus“.
Das hätte sie nicht tun sollen, denn in den Internetforen ist seitdem die Hölle los. Die jungen Wutbürger können endlich einmal wieder wüten.
Dabei hat Frau Seibert eigentlich etwas völlig Selbstverständliches gefordert: daß man nämlich, wie bei allen Anlässen des Alltagslebens, auch beim Grüßen differenziert. Muß man denn einem halbwegs erwachsenen Menschen wirklich erklären, daß er mit einem Gleichaltrigen aus seiner peer group anders reden sollte als mit einem Lehrer oder mit seinem Chef? Das versteht sich doch eigentlich von selbst! Alle Völker, alle Sprachen kennen diese Unterschiede, und sie einzuebnen hat absolut nichts mit Demokratie zu tun. Es hat eher mit einem mangelnden Gespür für die Differenziertheit der Sprache und mit einem Mangel an Höflichkeit und Gesittung zu tun.
Natürlich kann man Höflichkeit und sprachliche Differenzierung nicht administrativ erzwingen. Aber man kann, wie es die Passauer Rektorin getan hat, ein Zeichen setzen oder (wie man das in den Sechzigern genannt hat) einen Denkanstoß geben.
Ich finde es schön, daß man in Bayern – anders als zum Beispiel hier in Hessen – noch eine solche Fülle an Grüßen hat, vom „Grüß Gott“ über „Pfüete“ und „Pfüet eana“ bis zum „Servus“. Und daneben gibt es ja dort wie überall auch die normalen hochdeutschen Grußformeln. Was ist schlimm daran, wenn eine Schulleiterin darauf hinweist, daß das Grüßen – wie die Sprache überhaupt – voller Möglichkeiten zur Differenzierung ist?
Wenn wir zum Wandern in Bayern oder Österreich sind und in den Bergen anderen Wanderern begegnen, sagen wir immer unser „Grüß Gott“ oder erwidern es. Was ist denn daran schlimm? In der Lüneburger Heide würden wir das natürlich nicht tun. Eben das nennt man sprachliche Differenzierung, nicht wahr?
Wenn heute Erwachsene das ganze Leben lang nur noch die Jugendsprache nachahmen (also sprachlich sozusagen in der Adoleszenz steckenbleiben!) und nichts mehr kennen außer „hallo“, „tschüs“ und „tschao“ – dann ist das schon ein bißchen bedenklich, weil es ein Anzeichen für eine drastische sprachliche Verarmung ist.
Auf jeden Fall war der Denkanstoß der Passauer Rektorin nützlich.