Nein, so sagen das die chilenischen Behörden natürlich nicht. Sie reden verbrämt und scheinwissenschaftlich von einem „Managementplan für Seelöwen“.
Es kommt auf dasselbe hinaus.
Das Meer vor der chilenischen Küste ist leergefischt. Aber daran ist natürlich nicht die Fischindustrie schuld, die ohne Maß und ohne jede Hemmung fängt, was sie kriegen kann. Nein, die Seelöwen sind es, die in ihrer boshaften Gefräßigkeit das Meer leergefressen haben! Also will man sie jetzt, wie Rettet den Regenwald meldet, kräftig dezimieren.
Es ist immer dasselbe – sobald sich ein Tierbestand wegen der Unersättlichkeit des Menschen verringert, sucht (und findet) man ein Tier, das angeblich daran schuld ist. Für die fürstlichen Jäger waren es bis ins 19. Jahrhundert hinein die als Konkurrenten empfundenen großen Raubtiere wie Bär und Wolf, die man dann ja auch in Mitteleuropa vollständig ausgerottet hat. Für die Fischzuchtbetriebe ist es bis heute der Kormoran, der von den Züchtern zu einem fast diabolischen, von Grund auf bösen Wesen gemacht wird. Und in Chile, das seine Fischbestände hemmungslos dezimiert hat, ist jetzt der Seelöwe an allem schuld.
Auch das zweite Standbein der chilenischen Fischindustrie, die Lachsfarmen, sind durch ein aus Europa eingeschlepptes Virus dem Untergang geweiht. Aber sie breiten sich im Süden, in den Buchten Patagoniens, trotzdem immer weiter aus – mit schlimmen Folgen für die Umwelt. Es handelt sich hier nämlich um eine Intensivhaltung, die man am ehesten mit unseren Legebatterien für Hühner vergleichen kann. Sie beschert Chile freilich ein Exportvolumen von 2 Milliarden US-Dollar (hier nachzulesen).
Und sie reichert das Meer mit Unmengen von Kot, Müll, Pestiziden und Medikamenten an. Forscher der Max-Planck-Gesellschaft, die eigentlich die Kommunikation von Walen untersuchen wollten, waren entsetzt. Sie stellten fest, daß
in der unmittelbaren Umgebung der Farmen keinerlei Leben mehr existiert. „Überall liegt ein Geruch wie von Bleichmittel in der Luft“.
Da gehört schon eine gute Portion Unverfrorenheit dazu, das alles den armen Seelöwen anzulasten. Aber der Mensch braucht immer einen Sündenbock – an der Währungskrise sind die Griechen schuld, an den leergefischten Meeren die Seelöwen.
Und wer’s glaubt, zahlt einen Taler.