Uns hier in Deutschland geht es wirklich gut, wir haben ein Dach über dem Kopf, eine warme Wohnung und genug zu essen. Wir können sagen und schreiben, was wir denken. Und wir können unsere Regierenden selbst wählen. Das alles macht uns zu Angehörigen einer Minderheit auf der Erde.
Deshalb wollen ihr in dieser „friedlichen Weihnachtszeit“ einmal beispielhaft auf Menschen hinweisen, denen es viel, viel schlechter geht.
Nehmen wir Julia Timoschenko. Sie ist dem ukrainischen Präsidenten Janukowitsch seit langem im Weg, denn er will ein autoritäres, auf ihn zugeschnittenes Regime errichten. Das ist ihm weitgehend gelungen – Journalisten verschwinden schon einmal, und die Richter kuschen – und urteilen, wie sie urteilen sollen. Nur Frau Timoschenko war Janukowitsch noch im Weg. In einem Schauprozeß hat man sie mit absurden Beschuldigungen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Um ganz sicher zu gehen (man kann ja nie wissen!), haben die Ankläger ihr jetzt noch eine Anstiftung zu Auftragsmorden angedichtet, damit sie wirklich auf Lebenszeit im Gefängnis bleibt. Und diese Lebenszeit könnte knapp bemessen sein: sie ist so schwer erkrankt, daß sie nicht einmal mehr transportfähig ist. Zwei unliebsame Minister sind ebenfalls in der Haft krank geworden – da muß man schon sehr dumm sein, um an einen Zufall zu glauben.
Damit sind in den drei wichtigsten der vielen Strafverfahren, mit denen Janukowitschs Justiz unter dem Protest der EU heute die Opposition bedrängt, alle Angeklagten nach einigen Monaten Haft schwer erkrankt – und allen dreien wird nach Meinung ihrer Anwälte und Familienmitglieder die nötige Behandlung verweigert. „Sie wollen meine Mutter brechen, damit sie gesteht“, sagt Frau Timoschenkos Tochter Jewgenija Carr dieser Zeitung. Die Frauen der beiden inhaftierten Minister, Irina Luzenko und Valentina Iwaschtschenko, schließen sich an: Die ärztliche Behandlung, die ihre Männer im Gefängnis erfahren, ist ihrer Meinung nach nicht mehr und nicht weniger als „Folter“.
Einer der führenden Neurochirurgen der Ukraine fordert die sofortige Überweisung von Frau Timoschenko in eine Fachklinik, aber das Gesundheitsministerium beharrt darauf, daß sie auch im Gefängnis behandelt werden kann. Sie muß mit dem Schlimmsten rechnen (alles hier nachzulesen).
Vor ein paar Tagen ist ein obszönes Bild durch die Presse gegangen (man kann es unter anderem in der Online-Ausgabe der Zeit anschauen). Es zeigt den ukrainischen Präsidenten Hand in Hand mit EU-Ratspräsident van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Barroso in Kiew. Die drei scheinen sich köstlich zu amüsieren.
Nehmen wir einen anderen Fall. Der chinesische Schriftsteller Chen Wei hat schon an den Studentenprotesten von 1989 teilgenommen und immer wieder demokratische Verhältnisse gefordert. Als man ihn während der Jasmin-Proteste im Frühjahr zusammen mit vielen anderen Dissidenten verhaftete, wurde an ihm ein Exempel statuiert: nach einer Verhandlung von nicht einmal drei Stunden (!) wurde er wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Kein deutscher Museumsdiurektor hat dagegen protestiert, obwohl es dazu keines großen Mutes bedurft hätte.
Mut hatte aber Chen Wei – nach der Urteilsverkündung sagte er seinen Richtern ins Gesicht:
Ich bin unschuldig. Die Demokratie wird siegen, und dies wird das Ende der Diktatoren sein.
Zum Schluß wollen wir auch noch der Christen in Nigeria gedenken. Immer wieder kommt es unter ihnen zu Massakern durch fanatische Muslime – allein bei den Weihnachtsgottesdiensten sind jetzt an die hundert Christen ermordet worden.
Da auszuharren, standhaft zu bleiben und sich nicht durch Rache mit den muslimischen Mördern auf eine Stufe zu stellen, dazu gehört ein Mut, den wir uns hier im gemütlichen Europa kaum mehr vorstellen können.