Ich wollt, ich wär ein Fernsehkoch

Also, wenn ich mal groß bin, möchte ich unbedingt Fernsehkoch werden. Was hat man da für ein Leben! Mit der Küche in einem Restaurant kann man das nicht vergleichen, das ist harte Arbeit, das Essen muß schnell zum Gast, sonst kommt er nicht wieder. Aber im Studio sitzt ein Publikum, das sich auch für ein Stück trocken Brot zu Begeisterungsstürmen hinreißen läßt.

Am liebsten wäre ich ja Fernsehkoch beim ZDF, zum Beispiel in der Küchenschlacht. Da müssen drei, vier arme Würstchen in kurzer Zeit ein Menü kochen, und während ihnen der Schweiß auf der Stirn steht, kann ich herumstolzieren und süffisante Bemerkungen über sie machen. Das macht wirklich Spaß! Am Ende tröste ich sie natürlich, man ist ja kein Unmensch.

Ab und zu stürze ich auf eine Kamera zu, um den Zuschauern etwas von meinem profunden Wissen abzugeben. Etwa so: „Versuchen Sie doch einmal, die Banane zu schälen, bevor Sie sie verzehren. Sie werden erstaunt sein, wie anders sie dann schmeckt!“ Und dann tobt das Publikum im Saal ganz toll, weil es wieder etwas von mir gelernt hat.

Überhaupt – das Publikum! Es ist ja so dankbar für alles. Ich koste zum Beispiel an einem der Menüs, runzle ein paar Sekunden die Stirn und murmele dann: „Nicht schlecht.“ Und schon trampelt und johlt das Publikum im Saal, als ob gerade Florian Silbereisen zur Tür hereingekommen wäre. Sie hängen mir an den Lippen, sie vergöttern mich.

Sehen Sie: deshalb möchte ich Fernsehkoch werden, wenn ich einmal groß bin.

Aber im Ernst: hängen Ihnen diese Kochshows auch so zum Halse heraus wir mir? Damals bei Alfredissimo ging es ja noch zivilisiert zu, Alfred Biolek war schon immer ein gebildeter, freundlicher, unaufdringlicher Mensch. Er war eben noch Gastgeber und hatte Gäste.

Dann kamen Kerners Köche, und aus dem Gespräch in der Küche wurde – eine Show. Die ersten Sendungen waren erträglich, da haben die Köche noch gekocht. Das Kochen ist inzwischen fast zur Nebensache geworden, in erster Linie will man das Saalpublikum zum Johlen, Lachen, Stampfen bringen. Es genügt dazu völlig, dem Gericht einen besonders blumigen Namen zu geben, sagen wir

Crepinette von Taube und Wachtel mit Trüffeljus und Petersilie.

Und schon tobt das Publikum. Es ist ja sooo dankbar! Und je kleiner sich das Publikum macht, je mehr es zu den fast vergöttlichten Sterneköchen aufschaut, desto eitler und pfauenhafter werden die. Sie sind inzwischen überall, niemand entkommt ihnen mehr. In jedem Supermarkt, selbst bei einigen Discountern bieten sie ihre Produktlinien an. Und wenn Sie, nichts Böses ahnend, eine Buchhandlung betreten, stolpern Sie garantiert über einen Tisch, auf dem – meterhoch aufgetürmt – die Fernsehköche ihr Unwesen treiben. Sie müssen ihre Kochbücher fast im Minutentakt schreiben! Überall grinsen sie einem entgegen: Lichter, der immer das Kaschperl gibt, der ruhige Johann Lafer, der es faustdick hinter den Ohren hat, die leicht frivole Sarah Wiener – jeder von ihnen ist inzwischen zu einem Schauspieler geworden, der einen Koch spielt,  sie haben eine Rolle, eine persona, und diese Rolle spielen sie für das bescheidene Publikum. Es ist Marketing auf höchstem Niveau.

Müssen Köche so sein? Nein. Ich empfehle meinen Lesern die Sendung Wir in Bayern, die an jedem Werktag um 15.30 Uhr im Bayerischen Fernsehen läuft. Da wird auch gekocht (und zwar gut!), aber keiner der Köche macht eine Show daraus. Deshalb ist es so unterhaltsam, ihnen bei ihrer Arbeit zuzusehen.

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