Jetzt ist Schluß mit Mademoiselle!

Kennen Sie Roselyne Bachelot? Oder hätte ich sagen sollen – Mademoiselle Bachelot? Um Himmels willen, nur nicht! Einzig und allein „Madame Bachelot“ ist die Anrede in korrektem Französisch. Sie ist nämlich verheiratet und hat einen Sohn.

Und überhaupt – mademoiselles wird es bald sowieso nicht mehr geben. Und genau dafür will unsere Madame Bachelot sorgen.

Sie ist „Ministerin für Solidarität und sozialen Zusammenhalt“. Das klingt irgendwie wohlig und heimelig. Aber in Wahrheit ist sie eine radikale Feministin. Und wie fast alle heutigen Feministinnen will sie die Welt der Geschlechter verändern, indem sie – die Sprache verändert. Das ist verständlich, denn die Sprache kann sich nicht wehren. Wenn man gegen die Niedriglöhne von Verkäuferinnen und Friseusen kämpft, hat man es mit einem mächtigen Gegner zu tun. Aber die Sprache verändern? Das ist eine leichte Übung. Die Sprache verkrüppelt man mit einem Federstrich. Bachelots Kolleginnen und Kollegen diesseits des Rheins haben es vor Jahren vorgemacht: mit der sog. „Neuen Rechtschreibung“ ist es ihnen in kürzester Zeit gelungen, das geschriebene Deutsch so zu verändern, daß es nicht mehr wiederzuerkennen war. Jeder schreibt heute, wie er will – es herrscht Anarchie. Es ist also der seltene Fall eingetreten, daß in Deutschland brave Beamte – sozusagen auf dem Dienstweg – die Anarchie eingeführt haben.

Aber kehren wir zu Mademoiselle – oh pardon, zu Madame Bachelot zurück. Sie will die Anrede „Mademoiselle“ aus allen amtlichen Formularen in Frankreich streichen lassen. Die Anrede sei eine „sexistische Diskriminierung“.

Schließlich sind Männer auch nicht darüber auskunftspflichtig, ob sie noch unverheiratet sind.

Die Unterscheidung sei außerdem ein Eingriff ins weibliche Privatleben. Damit hat sie, wie man gestern in der F.A.Z. nachlesen konnte, eine Kampagne der Feministinnenvereinigung Chiennes de garde („Wachhündinnen“) aufgegriffen.

Die „gendergerechte Sprache“ hat sich ja auch bei uns durchgesetzt – vor allem bei denen, die viel von Gender, aber wenig von Sprache verstehen. Wer etwa seine Landsleute mit „Liebe Nordrhein-Westfälinnen und Nordrhein-Westfalen!“ anredet, mag einiges für die Gendergerechtigkeit getan haben, aber Sprachgefühl hat er (oder besser: sie?) nicht, und von Sprache versteht er wirklich gar nichts.

Ich gebe es unumwunden zu: am Anfang – das ist lange her – hatte es tatsächlich Witz und sogar einen gewissen Erkenntniswert, als Frauen untersuchten, wie der „patriarchalische Charakter“ der Gesellschaft auch unsere Sprache prägt. Ich denke da zum Beispiel an den schönen Satz

Als Gott den Mann schuf, übte sie noch.

So etwas hat esprit, es ist ein Bonmot, das wirklich erkenntnisfördernd ist.

Aber dann!

Dann ist die plumpe und ideologische Genderisierung der Sprache, also ihre Umgestaltung und Verhunzung, abgesunken bis zum letzten Dorfbürgermeister. Wo gibt es noch einen Schuldirektor, der seine Zöglinge mit „Liebe Schüler!“ anredet? Nein, er wird – oft wider besseres Wissen – „Liebe Schülerinnen und Schüler!“ sagen. In dem Wort „Schüler“ sind freilich seit Jahrhunderten beide Geschlechter zusammengefaßt, aber was zählen Jahrhunderte eines organischen Wachstums der Sprache? Nichts. Im Wort „Bürger“ sind immer schon Männer und Frauen inbegriffen, aber der Verwaltungsbeamte, der Ortsvorsteher, der Bürgermeisterkandidat, alle sagen „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!“

Warum machen sie das? Weil sie Angst haben, daß sich vielleicht eine genderorientierte Frau über sie beschweren könnte? Weil sie vom Wesen ihrer eigenen Sprache nichts verstehen?

Der absolute Höhe- oder besser Tiefpunkt des Gender-Wahnsinns in Deutschland war sicher die „Bibel in gerechter Sprache“. Sie ist nicht nur in einem geradezu erbärmlich schlechten Deutsch geschrieben, nein – sie verfälscht den Text auch in einem Ausmaß, wie man das bei deutschen Bibelübersetzungen vorher noch nie erlebt hat. Sie will gar nicht mehr das Original so wiedergeben, wie es gemeint war, sie will nur den eigenen, als modern empfundenen Gender-Sinn über den ursprünglichen Text stülpen.

Das ist nichts anderes als die Diktatur der modernen (Gender-) Interpretation über den historischen Text, also eine grobe Verfälschung.

Es stellt sich hier – genau wie bei der Abschaffung der Mademoiselle – die Frage, ob die Sprecher einer Muttersprache es sich bieten lassen, von Ideologinnen und Ideologen auf diese Weise bevormundet zu werden.

Aber nicht einmal Madame Bachelot kann diktatorisch über den tatsächlichen Sprachgebrauch ihrer Landsleute bestimmen. Sie mag ihre Amtsformulare drucken, wie sie will, aber wie die Franzosen wirklich reden, liegt – Gott sei Dank! – nicht in ihrer Macht.

Auch die „Bibel in gerechter Sprache“ wird weder die Lutherbibel noch die Einheitsübersetzung verdrängen. Dazu hat sie nun wirklich nicht das Format. Allenfalls als Kuriosum mag sie vielleicht noch eine Zeitlang ihr Dasein fristen.

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