Es ist mal wieder so weit. Der türkische Ministerpräsident, der sich ja in letzter Zeit zur Schirmherrschaft über den halben Erdkreis berufen fühlt, ist im Lande – und poltert drauf los wie sein hemdsärmeliger iranischer Amtskollege.
Wenn man als Gast in ein anderes Land kommt, schreit man seinen Gastgeber nicht an. Man beschimpft ihn auch nicht. Wir im „Christenklub“ halten das jedenfalls so, und ich weiß, daß auch die große Mehrheit der Türken es so hält. Sie sind sogar in vielem immer noch gastfreundlicher und liebenswürdiger als wir (obgleich wir in diesem Punkt aufgeholt haben).
Sehen wir uns ein paar der väterlich strengen Ermahnungen an, die uns Erdogan als Gastgeschenk mitgebracht hat.
Weil wir Türken so viel Positives für Deutschland empfinden, fühlen wir uns gerade hier im Stich gelassen … Die deutsche Politik müsste viel mehr für den EU-Beitritt der Türkei tun, weil er die Integration massiv vorantreiben würde.
Also, ich sitze jetzt schon eine ganze Weile vor diesem Satz und verstehe ihn immer noch nicht. Warum würde der EU-Beitritt die Integration vorantreiben? Ich kann mir eher das Gegenteil vorstellen.
Aber lesen wir weiter.
Die deutsche Politik würdigt die Verflechtung der drei Millionen Türken in Deutschland nicht genug.
Was heißt hier „Verflechtung“? Und warum würdigt Erdogan nicht, was Deutschland mit seiner Aufnahme türkischer Arbeitskräfte für die Wirtschaft der Türkei getan hat? Die kluge und unerschrockene Necla Kelek hat vor kurzem im F.A.Z.-Feuilleton (hier nachzulesen) in einem großen Beitrag nachgewiesen, daß die türkischen Gastarbeiter damals „nicht Deutschland, sondern die Türkei gerettet“ haben.
Türken in Deutschland, sagt Erdogan, sollten ihren Kindern „zuerst Türkisch und dann Deutsch beibringen“. Er begründet das zum Schein mit „sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen“, aber in Wirklichkeit ist auch diese Aussage nur Teil eines dreisten Anspruchs, der energisch zurückgewiesen werden muß: daß nämlich er, Erdogan, Sachwalter alles Türkischen auf der ganzen Welt ist. Er will über alles bestimmen, was türkisch war, ist und sein wird. An wirklicher Integration hat er nicht das geringste Interesse. Und er stiftet mit seinen unbeherrschten Reden immer wieder Unfrieden, gerade auch unter den türkischstämmigen Bürgern unseres Landes.
Assimilation ist ein „Verbrechen“, hat er in seiner berüchtigten Kölner Brandrede gesagt. Jetzt geht es ihm um die „türkischen Bräute“, die – wenn sie nach Deutschland einwandern wollen – ein paar Brocken Deutsch lernen müssen (mehr ist es ja nicht).
Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte.
Es könne doch nicht sein, sagt Erdogan, daß „die Liebe junger Menschen“ (!) per Verordnung nur auf Deutsch funktionieren könne. Ach, da kommen mir die Tränen. Gottlob ist inzwischen ausreichend dokumentiert, wie der Zuzug der „anatolischen Bräute“ in der Praxis abläuft.
Ein kleiner Nachtrag:
In meinem letzten Beitrag über die Türkei und auch in diesem Artikel habe ich den türkischen Ministerpräsidenten versehentlich immer wieder Erdogan genannt. Das tut mir leid. Er heißt natürlich – und von jetzt an für immer – Erdoganeshad.