Sascha Lobo, zerbrochene Männer und eine Kolumne, die zu hoch für mich ist

Sascha Lobo, der 2010 auf einer „Liste der peinlichsten Berliner“ den siebten Platz errungen hat, berauscht sich gern an seinen eigenen Wörtern (er war halt lange Werbetexter, das prägt). Früher waren das etwa der „Latenznazi“ oder die „digitale Bohème“, inzwischen hat es ihm die „konservative Fragilität“ angetan. In seiner Kolumne im SPIEGEL („Wenn Gendern stärker polarisiert als rechtsextreme Politik“) verwendet er den Ausdruck in dem kurzen Text zehn (!) Mal, dazu kommt er noch in anderen Zusammensetzungen („die fragilen Konservativen“ o.ä.) vor.

Was Lobo damit meint, habe ich auch nach mehrfachem Lesen nicht begriffen.

„Am Anfang war das Wort“, heißt es im Johannes-Evangelium, und womöglich trifft das auch auf die Entstehungsgeschichte von Lobos Artikel zu. „Fragilität“ ist ja in aller Munde, es findet ein wahrer Wettbewerb statt, jeder möchte der Fragilste sein, selbst Männern wird – wenn auch ohne durchschlagenden Erfolg – nahegelegt, ihre Zerbrechlichkeit öffentlich einzugestehen. „Soft“ nannte man das in den Sechzigern, als man den kleinen Mädchen Baukästen und den Jungs Puppen schenkte, weil schon damals die schlichteren Gemüter glaubten, das Geschlecht sei nur ein soziales Konstrukt. Und „konservativ“? Ist auch in aller Munde, aber angesichts des herrschenden Zeitgeistes meist herabsetzend gemeint.

Jetzt stelle ich mir folgende Szene vor: Sascha Lobo sitzt daheim an seinem Laptop, um eine Kolumne zu schreiben, es fällt ihm aber nichts ein. Er denkt nach, läßt alte und neue Szenewörter Revue passieren – und hat plötzlich einen Gedankenblitz: was, wenn man konservativ und fragil zu einem Ausdruck verbindet? Konservative Fragilität! Das ist zwar völlig sinnfrei – aber es klingt wunderbar intellektuell. Lobo freut sich – „könnte fast von Richard David Precht sein“, denkt er im Stillen. Dann fügt er noch ein paar aktuelle Reizwörter hinzu, „gendern“ zum Beispiel (das muß natürlich in die Überschrift!), „rechtsextrem“, „konservative Sprachpolizei“ – und natürlich die „Brandmauer“. Das wird dann alles zu einer dünnen, wässrigen Melange zusammengemischt – ist aber für den SPIEGEL allemal noch gut genug.

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