Man hätte es sich denken können: der Robert-Gernhardt-Preis, den seine Stifter und die Jury natürlich ohne Bindestrich (und damit falsch) schreiben, wird dieses Jahr an zwei Frauen vergeben: Ulrike Almut Sandig und Leona Stahlmann. Die grüne hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, die sich mit dem 2013 in einem Interview geäußerten Satz „Wälder brauchen Windräder“ als Vertreterin des credo quia absurdum geoutet hat, ist von der Wahl der beiden Autorinnen begeistert (ihr Ministerium war ja auch in der Jury „beratend“ tätig):
Beide Frauen präsentieren uns den weiblichen Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit, von der Klimakrise bis zur gesellschaftlichen Spaltung.
Na, da haben wir ja wieder die ganze grüne Gemischtwarenhandlung – vom weiblichen Blick bis zum Klima. Nur die Diversität fehlt noch – aber nein, ich lese gerade in der Wikipedia über Leona Stahlmann: „Sie setzt sich für sexuelle Diversität ein.“ Also doch. Diversität auch abgehakt. Der Bezug zu Hessen in Leben oder Werk, der Voraussetzung für die Gewährung des Preises ist, bleibt auch ziemlich im Dunkeln. Eine der beiden Preisträgerinnen ist in Hessen geboren, lebt aber am Staffelsee, die andere stammt aus Dresden, wohnt in Berlin und schreibt über eine „postsowjetische Großstadt“. Hessen?
Eine Voraussetzung, die nicht einmal erwähnt (geschweige denn verlangt) wird, ist der Bezug zu dem Namensgeber des Preises, Robert Gernhardt. Auf ihn trifft die Floskel „zu früh gestorben“ zu, die oft nur so dahingesprochen wird: Gernhardt ist wirklich zu früh, viel zu früh gestorben. Ich habe ihn schon in den 70er Jahren ins Herz geschlossen, aber wenn ich mir die Liste der Preisträger des Robert-Gernhardt-Preises anschaue, so frage ich mich schon, was sie mit dem Namensgeber verbindet. Vermutlich in vielen Fällen – nichts, zumal die allermeisten Preisträger mit dem Preisgeld ein „Romanprojekt“ voranbringen wollen. So mancher Dankesrede ist am Ende anzumerken, daß da jemand verzweifelt versucht, kurz vor der Preisverleihung aus Höflichkeit noch einen Bezug zum Namensgeber zu (er)finden.
Was aber den weiblichen Blick betrifft, so gebe ich folgendes zu bedenken. Natürlich sehen Frauen die Welt ein bißchen anders als Männer, und Männer sehen die Welt ein bißchen anders als Frauen. Das ist aber kein Problem – im Gegenteil: es macht doch die Spannung, die Reibung zwischen den Geschlechtern aus, die das Leben erst lebenswert macht!
Viel wichtiger ist, daß man den menschlichen Blick auf die Welt behält. Wenn man einmal von allem absieht, was spezifisch männlich oder spezifisch weiblich ist, dann bleibt mit dem Humanum immer noch so viel Gemeinsamkeit, daß man damit Berge versetzen kann. Und wenn dann die Ideologen kommen und Schwarze auf Weiße, Junge auf Alte und Frauen auf Männer hetzen möchten,
dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!