Beim Stöbern in einem alten lateinisch-deutschen Wörterbuch (Scheller 1804) bin ich zufällig auf ein mir unbekanntes lateinisches Wort gestoßen: ANCILLARIOLUS.
Das Grundwort – „ancilla“ – kennt man vielleicht noch vom Lateinunterricht her; es bedeutet „Magd“. Manch ein Bildungsbürger kennt auch den mittelalterlichen Satz, daß die Philosophie nur eine ancilla theologiae zu sein habe, also eine Magd der Theologie (wobei ich mich für die Erwähnung des Wortes „Bildungsbürger“ eigentlich entschuldigen muß, denn der Bildungsbürger steht heutzutage bei unserem so herrlich fortschrittlichen Milieu in der Wertschätzung noch unter dem Gangsta-Rapper).
Aber zurück zur Magd aus Fleisch und Blut! Sehen wir uns an, wie „ancillariolus“ in anderen Wörterbüchern übersetzt wird.
Bei Johann Philipp von Carrach (1777) ist es einer, „der um eine Dienstmagd buhlet“. „Häh?“ wird es da einem heutigen Abiturienten entfahren. „Buhlet? Was ist das denn?“ Nun, die Antwort steht in der Bibel, und zwar in den „Sprüchen Salomos“ (7,18). Da geht ein „törichter Jüngling“ des Weges, und plötzlich begegnet ihm „ein Weib im Hurenschmuck, listig, wild und unbändig“. Und das Weib spricht zu ihm:
Komm, laß uns buhlen bis an den Morgen und laß uns der Liebe pflegen. Denn der Mann ist nicht daheim; er ist einen fernen Weg gezogen.
Ich denke, daß jetzt jeder, auch wenn er aus bildungsfernen Schichten kommt, versteht, was mit „buhlen bis an den Morgen“ gemeint ist. Noch bildungsbürgerlicher wäre das Wissen, daß auch im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen die „Buhlschaft“ keine geringe Rolle spielt.
Bei Scheller (1783) ist ein ancillariolus einer, „der mit Aufwärterinnen und Mägden unkeuschen Umgang hat, Mägdetröster*. Da haben wir ihn also, den Mägdetröster! Ein Wort, das mir ausnehmend gut gefällt, auch wenn so manche Aktivistin mir darum den Kopf abreißen möchte. Eine Magd möchte doch nicht getröstet werden! würde sie mir zurufen, sie will befreit werden aus der Knechtschaft des Patriarchats! Aber, würde ich ihr dann ganz leise zuflüstern: es ist doch auch etwas Schönes, getröstet zu werden!
Machen wir es kurz. Lünemann (1826) übersetzt das Wort so: „der den Mägden nachgeht, mit ihnen unkeuschen Umgang hat, Mägdetröster“. Buhlen ist da schon als Wort nicht mehr ganz modern, jetzt hat man „unkeuschen Umgang“. Es kommt fleischlich auf dasselbe hinaus.
Wilhelm Freund (1834) schreibt: „der den Mägden nachgeht, ein Mägdebuhler, Schürzenjäger“. Da ist also der Schürzenjäger! Seltsam, im sonst so beredten Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm gibt es das Wort nicht, aber im „Wander“ (Deutsches Sprichwörter-Lexicon, 1867) steht es schon, zusammen mit den (heute gottlob aus der Mode gekommenen) Synonymen „Hurenjäger, Jungfernknecht, Steig‘ auf d‘ Leut“.
Und wie sieht es im 20. Jahrhundert aus? Im Langenscheidt von 1963 ist der „ancillariolus“ nur noch ein Schürzenjäger, und der Stowasser von 1994 bietet neben „Schürzenjäger“ noch die Übersetzung „Weiberheld“ an, beides Wörter, die vom Hauch der alten Zeit umweht sind. Heute würde man vielleicht von einem womanizer reden, aber der hat ja nicht mehr Mägde mit Schürzen im Sinn. Für das Wort „Schürzenjäger“ freilich bietet uns die Seite „Bayerns Dialekte Online“ folgende Erklärungen an, die ein ziemlich heterogenes Spektrum männlichen Verhaltens abdecken („pejor“ steht für pejorativ, herabsetzend).
Mann (pejor): alter Mann, der sich für junge Mädchen interessiert
Mann (pejor): hochmütiger Frauenheld, Schönling
Mann (pejor): untreu
Ehebrecher
Frauenheld
Mann (pejor): jemand, der Frauen nachstellt
triebhafter Mann.
Damit soll es erst einmal sein Bewenden haben, denn bei so einem Thema gerät man leicht in die Schußlinie kampfeslustiger Aktivistinnen. Ein sprachwissenschaftliches Minenfeld!