Carolin Emcke und das Gendern in mündlicher Rede

Carolin Emcke, der 2016 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde, hat auf dem Parteitag der Grünen eine Rede gehalten. Ein einziges Zitat daraus hat für große Aufregung gesorgt. Im Focus wird es so wiedergegeben:

Die radikale Wissenschaftsfeindlichkeit, die zynische Ausbeutung sozialer Unsicherheit, die populistische Mobilisierung und die Bereitschaft zu Ressentiment und Gewalt werden bleiben. Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden. Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen und die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.

So wird Encke in allen mir zugänglichen Meiden zitiert – nur nicht in der Wikipedia. Dort heißt der Schlußsatz:

Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen oder die Virologen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscher.

Hat Emcke also wider Erwarten gar nicht gegendert? Die Wikipedia gibt als Quelle für diesen Wortlaut den Spiegel an, und tatsächlich wird das Zitat dort ungegendert („Virologen“, „Klimaforscher“) wiedergegeben.

Aber Emcke hat natürlich gegendert. Der Beweis liegt vor, der entsprechende Ausschnitt findet sich auf Youtube (hier im Original zu betrachten). Man sieht aber auch, welches irrsinnige Chaos die feministische Sprachzerstörung hier anrichtet. Bei den Wörtern „Feministinnen“ und „Virologinnen“ gibt Emcke mit ihren Fingerbewegungen zu erkennen, daß sie die Wörter in Anführungszeichen setzen will, beim Rest der Sätze nicht. Sind bei ihrem Wort „Virologinnen“ jetzt auch Drosten und Streeck mitgemeint? Oder geht es nur um die weiblichen Virologen? Und schließt sie bei den Klimaforscherinnen Mojib Latif aus, weil er nur ein Mann ist? Und warum spricht sie dann nicht auch von Jüdinnen und Kosmopolitinnen?

Allein schon an einem solchen Fall läßt sich belegen, daß beim gegenderten Deutsch von der Präzision der deutschen Sprache – von ihrer Schönheit und Klarheit ganz zu schweigen – kaum mehr etwas übrig ist. Im Grunde kann jeder den Absatz von Emckes Rede nach eigenem Gutdünken in jede beliebige schriftliche Form bringen.

Wer einmal die unerhörte sprachliche Präzision des Deutschen, etwa bei Kant und Schopenhauer, zur Kenntnis genommen hat, den erfaßt beim Betrachten dieser modischen Sprachzerstörung eine tiefe Traurigkeit.

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