Noch einmal zu Ai Weiwei

Daß China ein Rechtsstaat ist, glaubt nicht einmal Hong Lei, der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, der diese absurde Behauptung kürzlich vor der Presse aufgestellt hat. Fast nirgendwo auf der Welt (von Nordkorea vielleicht abgesehen) wird von einer Regierung die Wahrheit so dreist verschwiegen, unterdrückt und verdreht wie in China.

Wer z.B. den Namen Ai Weiwei heute in eine chinesische Suchmaschine eingibt, erhält folgende Fehlermeldung:

In Übereinstimung mit einschlägigen Gesetzen, Regeln und Bestimmungen werden die Suchergebnisse nicht angezeigt.

Daß unsere Wirtschaftsführer, wie berichtet, einen, der nach dem Verbleib des verschleppten Künstlers fragt, ausbuhen und damit verhöhnen, mag man noch verstehen. Ihnen geht es nur um das profitable China-Geschäft, da lassen sie sich doch nicht von einem Künstler stören – wäre ja noch schöner.

Aber es gibt da einen Mann, der solche Rücksichten wirklich nicht nötig hätte, und das ist Martin Roth, der Generaldirektor der Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Er ist einer der Organisatoren der Ausstellung „Kunst der Aufklärung“, die am 1. April in Peking „mit großem Pomp“, wie die heutige Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schreibt, eröffnet wurde. Die Ehrengäste waren noch beim Kofferpacken, da wurde Ai Weiwei verschleppt. Er ist bis heute unauffindbar.

Außenminister Westerwelle, der in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung nur mild mahnende Worte gefunden hatte und sich durch die Verschleppung des Künstlers auch persönlich zurecht gedemütigt fühlen mußte, bestellte daraufhin den chinesischen Botschafter ein, immerhin. Die Nobelpreisträgerin Herta Müller wurde deutlicher: es komme ihr vor, sagte sie, „als würde die deutsche Kulturpolitik regelrecht winseln um Anerkennung durch China“.

Und Martin Roth? Er rechtfertigt die gescheiterte Kulturpolitik gegenüber China um jeden Preis. Als der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, die Freilassung Ai Weiweis forderte (eigentlich ja eine Selbstverständlichkeit), meinte Roth nur zynisch: „Na, da wird die chinesische Staatssicherheit aber das Zähneklappern bekommen.“

Die Verhaftung sei zwar „furchtbar“, aber – das obligatorische Aber! – schließlich sei Ai Weiwei „bei den Medien“ deshalb so beliebt, „weil er ständig draufhaut“.

Ja, lieber Herr Roth, es ist doch nicht Aufgabe eines Künstlers, so wie Sie mit den Mächtigen seines Landes Prosecco (oder von mir aus auch Maotai-Schnaps) zu trinken und zu allem Ja und Amen zu sagen! Soll er sich den Tyrannen nur noch auf Sammetpfötchen nähern, damit ja kein Schatten auf Ihre leise Diplomatie fällt? Was für eine Vorstellung von Kunst und vom Künstler haben Sie eigentlich? Ist für Sie der Künstler nur ein Störfaktor beim gemütlichen Zusammensein mit den chinesischen Funktionären? Eine Kulturpolitik, die diesen Namen verdient, muß doch für die Kunst und den Künstler (also auch für Ai Weiwei!) da sein – und nicht umgekehrt.

Ohne China müßte die Phaeton-Produktion eingestellt werden. Diese Diktatur gibt uns in unserer Demokratie Lohn und Brot.

So werden Sie von der F.A.S. zitiert. Man glaubt, man habe sich verlesen. Das soll ein deutscher Museumdirektor tatsächlich gesagt haben? Aber offenbar haben Sie es genauso gesagt und gemeint. Nur – was bedeutet das? Nur weil China unsere Luxuslimousinen kauft, müssen wir deshalb jetzt in der Kulturpolitik leisetreten? Ein Kotau für jeden verkauften Phaeton?

Seit vielen Jahren wollen uns die sog. China-Kenner weismachen, daß durch die wirtschaftliche Öffnung des Landes auch die Tage des alten politischen Systems in China gezählt seien. Nichts davon ist eingetreten, das Unterdrückungssytem funktioniert wie eh und je, Prügel, Folter und Hinrichtungen gehören zum chinesischen Alltag, es gibt weder eine freie Presse noch unabhängige Gerichte. Die kleinen, immer gefährdeten Nischen, die sich einige chinesische Künstler und ein paar Blogger erobert haben, sind allein ein Erfolg ihres eigenen Mutes und ihrer zähen Beharrlichkeit.

Sie muß man unterstützen, sie brauchen unsere Hilfe und unsere Zuneigung, nicht irgendwelche Kulturfunktionäre.

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