Bismarck: „Darf man so einen ehren? Geht das noch?“

Das fragt, in scheinheiliger Unschuld, der taz-Redakteur Alexander Diehl. Der wollte, wie sein Blatt schreibt, „irgendwann mal Geisteswissenschaftler werden“, habe sich dann aber „vom Journalismus ablenken“ lassen. Wenn man seine Artikel liest, weiß man: ein großer Verlust für die Geisteswissenschaften ist das nicht.

Heutzutage – man verzeihe mir die drastische Sprache – kann sich jeder Depp zum Historiker aufspielen. Dazu braucht es kein Quellenstudium mit Latein- und Griechischkenntnissen mehr, es genügt eine fortschrittliche Gesinnung, ein bißchen „Recherchieren“ im Internet – und eine linke Redaktion, die so einen Schmarrn druckt. Das alles steht Diehl zur Verfügung. Wenn dann noch ein paar unbedarfte Aktivisten dazukommen, die ein Denkmal beschmieren – umso besser.

So tobt also jetzt in Hamburg der Streit um ein Bismarckdenkmal. Es gibt da, um die Verrücktheiten aus der linken Provinz erst einmal aufzuzählen, eine (sie heißt wirklich so!) „Initiative Decolonize Bismarck“. Ein gewisser Kodjo Gläser, offenbar ein profunder Bismarck-Kenner und zugleich Mitglied der „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“, fordert unter der Überschrift „Vor allem Schwarze Menschen sollen entscheiden“ kategorisch, die deutschen Schul- und Geschichtsbücher müßten umgeschrieben werden, und zwar „unter Federführung der durch Kolonialismus Betroffenen bzw. von deren Nachfahren“ (hier nachzulesen). Und Hannimari Jokinen vom „Arbeitskreis Hamburg postkolonial“, eine bildende Künstlerin, die sich selbst als als „Stadtraumforscherin“ bezeichnet und „mit Historikern zusammenarbeitet“, wittert überall in Hamburg eine „Herrenmenschenkultur“ und ist entsetzt, daß in der Hafencity

Gebäude nach einstmals gewinnbringenden Kolonialwaren und Plätze nach Wegbereitern für koloniale Eroberungen benannt werden: Magellan-Terrassen, Marco Polo-Terrassen, Vasco da Gama-Platz. Nach hanseatischer Lesart sind diese Namensgeber euphemistisch »Erkunder weltweiter Handelswege« – oder der Letztgenannte schlicht ein »portugiesischer Seefahrer«.

Die Entscheidungsstrukturen in Hamburg seien „immer noch weiß“, bedauert sie.

Man könnte über solche Kindereien lachen, wenn nicht – ja, wenn nicht genauso unbedarfte Politiker der Grünen, der SPD und der Linken sich eilfertig diesen selbsternannten Historikern als politischer Arm zur Verfügung stellten. Auf eine Reaktion der akademischen Geschichtswissenschaft zu warten, dürfte vergebens sein: wie die Jagdszenen an der Humboldt-Universität belegen, wo anonyme trotzkistische Gruppen versucht haben, renommierte Historiker wie Herfried Münckler und Jörg Baberowski durch Denunziation zum Schweigen zu bringen, wird es an den Universitäten immer schwerer, einen freien Diskurs zu führen.

Daran sind nicht zuletzt die Universitätsleitungen schuld, die sich oft nur halbherzig für ihre Professoren einsetzen. Warum? Fürchten sie den Druck linker Studentengruppen?

„Forschung und Lehre sind frei“, heißt es in Art. 5 GG. Niemand darf das freie Wort an den Universitäten einschränken oder gar die Vertreter unbequemer Meinungen durch Druck einschüchtern. Niemand! – und schon gar nicht kleine Grüppchen von Ideologen, deren schlichtes Weltbild für sich spricht.

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