Auf Bedeutendes und Interessantes stößt man fast immer durch Zufall. So bin ich vor ein paar Tagen auf einen Artikel Thomas Manns aufmerksam geworden, der 1930 unter dem Titel „Theodor Storm“ in der Zeitschrift Daheim erschienen ist.
Storm galt als „Heimatdichter“, ein Wort, das schon damals einen Hautgout von Provinzialität und geistiger Enge hatte. Von seiner „lokalpatriotischen Husumerei“ sprach auch Theodor Fontane, aber Thomas Mann ist ganz anderer Ansicht. Von Storms Nachahmern, schreibt er, sei
viel Läppisches und Nichtiges hergekommen, viel Bürgerwonne und Goldschnittgemüt, das doch bei ihm, an seiner hochgelegenen Quelle, etwas ganz, ganz anderes war.
Das Künstlertum Storms habe „nichts zu schaffen mit Simpelei und Winkeldumpfigkeit“.
Was für Wörter! – Bürgerwonne! Goldschnittgemüt! Winkeldumpfigkeit! Und so geht es weiter. Eine „weltvergessene Sommermittagsstimmung“ und „Zauberdichtigkeit“ sieht Thomas Mann in Storms Lyrik, und über das Gedicht „Im Walde“, das er „sommerzauberversponnen“ nennt, schreibt er am Ende:
Das ist nicht erzen, es ist aus zartestem Stoff; und doch steht es da für immer.
Wenn je ein Schriftsteller das Prädikat „Wortkünstler“ verdient hat, dann ist es Thomas Mann.
PS: Im selben Artikel spricht Mann von Gottfried Kellers „goldener Schnurrigkeit“ – eine treffendere und schönere Charakterisierung des Schweizer Schriftstellers ist mir noch nicht begegnet.