Alles, nur nicht Latein!

Gewundert habe ich mich schon über die letzte Enzyklika von Papst Franziskus. Da waren auf der Interneteite des Heiligen Stuhls alle abrufbaren Übersetzungen fein säuberlich aufgezählt, nur eine nicht: die ins Lateinische. Und die Geschichte wiederholt sich. Fratelli tutti, die am Sonntag erschienene neue Enzyklika, liegt (hier einzusehen) in deutscher, englischer, französischer, italienischer, polnischer, portugiesischer und spanischer – und sogar in arabischer! – Sprache vor. Und das Lateinische, die eigentliche Sprache der katholischen Kirche und über viele Jahrhunderte die lingua franca Europas, ist wieder nicht dabei.

Auf meine Anfrage im Jahr 2015 wurde ich um Geduld gebeten: die Übersetzung sei in Arbeit, man gebe sich Mühe. Tatsächlich wurde sie irgendwann nachgereicht. Ich weiß, das „lateinische Büro“ im Vatikan ist in den letzten Jahrzehnten immer kleiner geworden, aber die Übersetzung ins Lateinische dürfte nun wirklich nicht schwieriger oder zeitaufwendiger sein als die ins Arabische oder Polnische. Nein, da ist, glaube ich, eine bewußte Vernachlässigung einer Sprache im Gange, die – anders als unter Benedikt – für seinen Nachfolger offenbar keine große Bedeutung mehr hat, so wie er ja auch die schöne Tradition, den Segen Urbi et Orbi an Ostern in vielen Sprachen zu spenden, sogleich abgeschafft hat. Von solchen Traditionen, die doch vielen ans Herz gewachsen sind, hält er nicht viel. Schade.

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