Also doch nicht die Fledermaus, und das Gürteltier auch nicht. Und erst recht nicht das berüchtigte Labor in Wuhan. Nein, der Marderhund ist schuld an der Pandemie – oder genauer: die Chinesen, die den Marderhund fangen und züchten.
Damit überrascht uns jetzt der Virologe Christian Dosten (hier nachzulesen):
Wenn mir jemand ein paar Tausend Dollar und freien Zugang zu China geben würde, um die Quelle des Virus zu finden, würde ich an Orten suchen, wo Marderhunde gezüchtet werden.
Solche Viren kochen nicht auf einem Markt hoch, sondern dort, wo die Tiere gezüchtet oder gefangen werden.
Armin Laschet ist in vielen Kommentaren beschimpft worden, weil er sich am Sonntag bei Anne Will über die wechselnden und immer härteren Forderungen der Virologen beschwert hat. Dabei hat Laschet ja recht: erst ging es nur darum, die Kurve der Neuinfektionen flacher werden zu lassen, dann sollte die Verdoppelungszahl reduziert werden, und als auch das geschafft war, hieß es auf einmal, viel wichtiger sei die Reproduktionszahl, die unbedingt kleiner als 1 sein müsse. Das alles haben wir nun durch die Disziplin der Bevölkerung erreicht – aber statt dafür belohnt zu werden, wird jetzt selbst eine behutsame Rückkehr immer weiter in die Ferne gerückt. Wir stünden in Deutschland erst am Anfang der Pandemie, heißt es auf einmal, und man müsse die Kontaktbeschränkungen auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Virologen, so scheint mir, sind wunderbare und kompetente Fachleute – aber miserable Psychologen. Sobald sich ein Lichtblick auftut, decken sie ihn schnell mit dem schwärzesten Tuch zu, das sie haben. Karl Lauterbach, der sozialdemokratische Epidemiologe, geht dabei immer vorneweg, läßt sich in jede zweite Talkshow einladen und verbreitet nach Kräften seinen ärztlichen Pessimismus. „Das Schlimmste kommt erst noch“, ist sein Motto.
So richtig es war, erst einmal auf die Virologen zu hören, so falsch wäre es, sich zu ihrem Sklaven zu machen. Denn sie haben keine politische Verantwortung, niemand hat sie gewählt, und ihre Fehleinschätzungen wären vielleicht im Kollegenkreis peinlich, aber ansonsten folgenlos.
Daß es unter ihnen Fraktionen mit zum Teil erheblichen und für die Bevölkerung wichtigen Unterschieden gibt, wurde spätestens klar, als Hendrik Streeck, ebenfalls Professor für Virologie, aufgrund seiner konkreten Arbeit in Heinsberg zu abweichende Meinungen kam und dafür sofort nach allen Regeln der Kunst abgestraft wurde. Wissenschaftler, das sollte man im 21. Jahrhundert eigentlich auch als Journalist wissen, leben und arbeiten heute in einer Konkurrenz- und Marktsituation, die mit dem Ethos des altehrwürdigen Forschers nichts mehr zu tun hat. Das darf man bei aller Ehrfurcht vor der Wissenschaft nicht ganz vergessen.
Wolfgang Schäuble hat recht. Dem Tagesspiegel sagte er kürzlich (hier nachzulesen):
„Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig.“ Auch der Schutz der Menschenwürde schließe nicht aus, dass „wir sterben müssen“. An anderer Stelle fügte er hinzu: „Wir dürfen nicht alleine den Virologen die Entscheidungen überlassen, sondern müssen auch die gewaltigen ökonomischen, sozialen, psychologischen und sonstigen Auswirkungen abwägen.“
Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, aber gerade in einer Krisenzeit tut es gut, auch eine andere Meinung anzuhören und sich wenigstens einen Moment lang dem Dauerfeuer der Virologen zu entziehen. Am Ende ist es nämlich gar nicht so wichtig, ob es der Marderhund oder die Fledermaus war. Am Ende zählt nur, ob wir als Gesellschaft mit Anstand und mit Menschlichkeit durch diese Krise kommen.