In den USA ist die fürsorgliche Zensur des gesamten Alltags schon weit fortgeschritten, da wird von den Kindern alles ferngehalten, was die (vermeintlich) zarten, verletzlichen Seelen verstören könnte. Bücher werden zensiert oder aus den Schulbibliotheken entfernt, wenn sie irgendetwas enthalten, was den selbsternannten Tugendwächtern nicht behagt. Viele Wörter sind an den Schulen und Universitäten im land of the free mittlerweile mit einem Tabu belegt. Lehrer oder Professoren, die dagegen verstoßen, müssen mit Disziplinarmaßnahmen rechnen, die nicht selten zu ihrer Entlassung führen. Die Freiheit von Forschung und Lehre wird inzwischen sogar von amerikanischen Studenten selbst in Frage gestellt, weil der Schutz ihrer Verletzlichkeit – vulnerability – vor Diskriminierung wichtiger sei als jede Freiheit. Erwachsene, intelligente Menschen im Alter von 25 oder 30 Jahren werden einer Infantilisierung unterworfen, die sie wieder zu kleinen Kindern macht, die des ständigen Schutzes durch die Universitätsleitung bedürfen.
Zu diesem beunruhigenden Phänomen gibt es im angelsächsischen Sprachraum inzwischen eine Fülle von Literatur. Die meisten Bücher sind leider nur in englischer Sprache verfügbar. Dazu zählt auch der Band „What’s Happened to the University?“ (2016) von Frank Furedi, den ich nur jedem als Einstieg empfehlen kann. Furedi, der als kleiner Junge mit seinen Eltern nach der brutalen Niederschlagung des Ungarnaufstands 1956 nach Kanada geflohen ist und es in England zum Professor für Soziologie an der University of Kent gebracht hat, analysiert den Zustand an den amerikanischen Universitäten in einem klaren, unverschwurbelten Englisch, das man auch dann mit Gewinn lesen kann, wenn man die Sprache nicht perfekt beherrscht. Ich werde, wenn ich dazu komme, in den nächsten Wochen an dieser Stelle einiges aus seinem Buch zitieren.
Und was hat das jetzt mit den armen Kindern von Erfurt zu tun?
Furedi berichtet auch von der großen Auseinandersetzung an der Yale University über politisch korrekte Verkleidungen an Halloween, die 2015 nicht nur Yale erschütterte. Ein Committee on cultural affairs der Universität hatte damals die Studenten angehalten, nur „kultursensible Kostümierungen“ zu tragen. Der Widerspruch gegen diese absurde Gängelung und die Einteilung in „recommended and non-recommended costumes“ hatte damals für landesweites Aufsehen gesorgt.
In Erfurt hat jetzt die Kita „Campus-Kinderland“ des „Studierendenwerks“ den Versuch gemacht, ähnlich wie in Yale und mit ähnlichem Vokabular nur noch politisch korrekte Verkleidungen zu erlauben. In einer Verlautbarung der Kitaleitung heißt es:
Mit der Kostümierung der Kinder wird in den Einrichtungen des Studierendenwerks generell sehr bewusst und kultursensibel umgegangen. Dies ist einer der Bausteine des pädagogischen Konzepts, mit dem Stereotype vermieden werden sollen. Es wird Wert daraufgelegt, keine Bevölkerungsgruppen zu beleidigen oder Kindern falsche Bilder zu vermitteln. Zudem kann eine Kostümierung Angst und Überforderung bei den Kindern auslösen. Vor allem für Kleinkinder ist es befremdlich, wenn sie ihr Gegenüber nicht mehr erkennen können. Anhand des Verhaltens ist außerdem oft zu erkennen, dass sich Kinder in ihren Kostümen unwohl fühlen.
Bravo! Endlich werden einmal die vielen Kinder ins rechte Licht gerückt, die bis heute unter Angstzuständen leiden, weil sie damals ihre verkleideten Gegenüber nicht mehr erkannt haben. Manche sind auch heute noch traumatisiert, so wenig kultursensibel sind die Erzieherinnen mit ihnen umgegangen!
Aber ein Trostpflaster für die abgesagten Faschingsfeiern hat das „Studierendenwerk“:
Insgesamt haben die Kinder aber natürlich das ganze Jahr über die Möglichkeit, sich zu verkleiden. Ihnen werden dafür auch Verkleidungsutensilien zur Verfügung gestellt, die im Voraus von dem pädagogischen Fachpersonal bewusst ausgewählt werden.
Ich hätte da ein paar Vorschläge für das pädagogische Fachpersonal. Man könnte, um die vorhandenen Stereotype kultursensibel aufzubrechen, den kleinen Jungs weibliche, den kleinen Mädchen männliche Verkleidungsutensilien zur Verfügung stellen. Auch queer- und transmäßige Kleidung wäre sicher geeignet, das überholte Stereotyp von den zwei biologischen Geschlechtern schon in den Kinderhirnen zu bekämpfen.