Die Umweltsau, sprachlich betrachtet

Von der hitzigen politischen Diskussion um das Lied „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“ will ich erst einmal absehen. Ich fürchte aber, es wird mir nicht ganz gelingen.

Zunächst gilt es, ein Mißverständnis aufzuklären. Die heutigen „Comedians“, „Satiriker“, „Kabarettisten“ usw. antworten auf die Frage, was Satire darf, fast schon standardmäßig mit dem Satz „Satire darf alles“. Das ist richtig und falsch zugleich. Satire darf alles, weil in unserer (gottlob!) liberalen Demokratie, anders als in autoritären Staaten, niemand für eine Satire ins Gefängnis geworfen wird. Niemand wird für eine Satire, auch wenn sie noch so dumm und geschmacklos ist, bestraft.

Satire darf also – rein juristisch – fast alles. Aber heißt das, daß man sie nicht mehr kritisieren darf? Heißt das, daß ein öffentlich-rechtlicher Sender jedes Machwerk, das jemandem in den Sinn kommt, auch senden muß? Und daß er es nie wieder zurückziehen darf?

Ganz und gar nicht.

Es gibt gute, pointierte Satire (heute leider immer weniger, mir fallen da nur Gerhard Polt und – ganz anders geartet – Dieter Nuhr ein). Und es gibt die dumme, grobschlächtige Satire, die allen Ernstes glaubt, daß es für eine gute Satire schon ausreicht, Wörter wie „Umweltsau“ oder „Ziegenf…er“ zu verwenden. Die Lust am Zotigen und Fäkalischen füllt heutzutage ganze Säle, aber ist das deshalb schon gute Satire? Oder gar gutes politisches Kabarett?

Das Wort „Oma“ ist ja nicht einfach nur dasselbe wie „Großmutter“. Es ist eine Koseform, es drückt Liebe und Zuneigung aus. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm findet man es noch nicht, es soll erst im 19. Jahrhundert aufgekommen sein. Der Gebrauch des Schimpfworts „Sau“ dagegen ist sehr alt, es stellt eigentlich die schlimmste Form der Verächtlichmachung dar. Das Wort kommt aus der Gossensprache und sollte dort auch bleiben. Das Deutsche Wörterbuch, das man hier einsehen kann, gibt zahlreiche Beispiele für den Gebrauch:

Wegen der unreinlichkeit des schweins wird das wort für schmutzige personen gebraucht.
Einen unlustigen, unflätigen menschen heyszen wir ein saw.
Ein trunkenbold wird sau gescholten: rülp, grober bengel, volle sau.
Ein grober mensch wird als wüste sau bezeichnet.
Von einer unsittlichen person, besonders weiblichen geschlechts: niederd. êne löpske söge, êne horaatske söge, geiles weib, gemeine hure.

Schon Hans Sachs (1494-1576) gebraucht das Wort in diesem Sinne:

on zucht so ist ein schöne fraw
(spricht Salomon) gleich einer saw
mit gülden spangen auff der nasen.

Viele entsetzte Menschen, die sich jetzt zu Wort melden, schildern in rührenden Worten, daß ihre Oma doch keine Umweltsau sei. Das sollten sie nicht tun, damit gehen sie den Autoren solcher Machwerke auf den Leim, denn denen geht es nicht um eine ernsthafte Diskussion, sondern um Provokation um der Provokation willen. Man sollte sie – die schlimmste Strafe! – einfach ignorieren.

Jetzt zirkuliert ein Brief von linken „Kulturschaffenden“ in den Sendern, die auf den WDR-Intendanten einprügeln, weil er das unsägliche „Kinderlied“ zurückgezogen hat. Zu den Unterzeichnern gehören u.a. Gagschreiber von Böhmermann, heute-show und Eichwald, und sie begründen ihre Rücktrittsforderung so:

Ein Medienmanager, dessen Umgang mit moderner, rechter Propaganda von so viel Naivität und Ungeschicktheit zeugt und der nicht in der Lage ist, sich in einfachsten Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit vor seine MitarbeiterInnen zu stellen, gefährdet eben diese Freiheiten. Er sollte die Konsequenzen ziehen.

Als ob die Kritik an einer völlig mißlungenen, dummen und beleidigenden Satire irgendetwas mit „moderner, rechter Propaganda“ zu tun hätte! Die AfD schlachtet das Thema populistisch aus, so wie sie es auch mit der Windkraft und der politischen Korrektheit macht. Soll ich also nichts mehr gegen die Windkraft und nichts gegen die Sprachdummheiten der politischen Korrektheit sagen dürfen, nur weil die rechten Stammtischpolitiker das Thema usurpieren? Ich denke gar nicht daran!

Das „Kinderlied“ von der Umweltsau zeigt nur, wie sehr unsere Satiriker schon „böhmermannisiert“ sind. Den schlechten Geschmack, der hier waltet, kann man nicht verbieten. Aber dem Versuch, sich jede Kritik als angebliche „rechte Propaganda“ vom Leib zu halten, sollte man energisch entgegentreten.

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