Was tut man, wenn ein Wissenschaftler zementierte Lehrmeinungen in Frage stellt?
Da gibt es immer mehrere Strategien. Eine besonders bewährte kann man gerade in der Debatte um die Feinstaub-Grenzwerte in den Innenstädten beobachten.
Da hat Dieter Köhler, ein pensionierter, international renommierter Facharzt für Lungenkrankheiten, die den Europäern von der UNO und der EU aufoktroyierten Grenzwerte angezweifelt. Helle Aufregung im Lager der „Guten“! Sie müssen jetzt vor allem verhindern, daß Köhlers These und ihre eigene, natürlich wahre und sakrosankte Lehrmeinung gleichwertig nebeneinanderstehen. Also greift man den Nestbeschmutzer persönlich und charakterlich an. Ein „Exot“ der Wissenschaft sei er, hält man ihm in einer Talkshow entgegen, und selbst Claus Kleber insinuiert in einem Interview mit Köhler mit seiner letzten Frage (natürlich scheinheilig und juristisch unangreifbar formuliert), daß der Facharzt womöglich der Autoindustrie nahestehe.
Klar, daß die Verschwörungstheoretiker genau wissen, welche Gründe Köhler bei seinem Vorstoß geleitet haben – hier ein Leserkommentar in der Westfälischen Rundschau:
Entweder sind es mangelnde Chemiekenntnisse, Geltungssucht oder entsprechende Geldspritzen aus der Automobillobby.
Das Wort „Geltungssucht“ kehrt verdächtig oft in Meldungen und Kommentaren wieder. Es soll suggerieren, daß sich da einer in den Vordergrund drängt, um öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Stefan Tomik, der in der F.A.Z. eine (jedenfalls in meinen Augen) perfide Reportage über Köhler geschrieben hat, vergißt nie, den „Golfclub Schmallenberg im Herzen des Sauerlands“ zu erwähnen, dessen Präsident Köhler ist. Zu so primitiven Mitteln greift nur, wem es an Argumenten gebricht. Daß auch die deutsche Wikipedia fast nur Köhlers Gegner zu Wort kommen läßt, war zu erwarten, sie vertritt in umstrittenen Fragen fast immer die Positionen des „fortschrittlichen“ Milieus (man vergleiche den Beitrag über Prof. Manfred Spitzer).
Aber haben nicht über 100 Arztkollegen Köhler ausdrücklich unterstützt? Auch da weiß man sich zu helfen und verweist darauf, welche Macht Köhler in dem Verband immer noch habe. Über hundert Ärzte als willenlose Anhänger eines alten Alphamännchens?
Grenzwerte sind immer willkürlich, aber da, wo die wirtschaftliche Existenz eines ganzen Landes bedroht ist, gebietet es eigentlich der gesunde Menschenverstand, jeden Zweifel an ihrer Richtigkeit vorher auszuräumen. Das geschieht immer seltener. Was aus Brüssel und von der WHO kommt, wird (egal, welche Folgen es hat) ohne eingehende Prüfung übernommen und notfalls mithilfe der Gerichte (und der Deutschen Umwelt-Hilfe) gegen die eigene Bevölkerung durchgesetzt.
Dem liegt die Vorstellung des edlen Wissenschaftlers zugrunde, der ohne Furcht und Tadel, nur seinem Gewissen, aber keiner Ideologie unterworfen, die Wahrheit ans Licht bringt. Wie sehr freilich gerade in Deutschland der Zeitgeist in die Wissenschaft hineinpfuscht, sieht man besonders gut an der Feminismus- und Genderdebatte an den Universitäten. Da sind selbst die absurdesten Standpunkte des neuen Psedofeminismus vielerorts sakrosankt geworden und werden, bis in die „gendergerechte“ Schreibung hinein, administrativ durchgesetzt und ohne echten Austausch der Argumente als wahr deklariert. Wer sich dem Diktat der herrschenden Meinung widersetzt, wird nicht mehr eingeladen oder ausgebuht.
Und man sieht den Zeitgeist natürlich auch in der Feinstaub-Debatte walten, wo eine abweichende Meinung nicht durch Argumente, sondern durch die persönliche Verunglimpfung eines Wissenschaftlers „erledigt“ werden soll.