Keine deutsche Tageszeitung beschäftigt sich so kenntnisreich und so beharrlich mit dem Zustand unserer Schulen und der dort praktizierten Pädagogik wie die F.A.Z. Besonders die Artikel von Heike Schmoll sind fast immer kleine journalistische Meisterwerke.
Aber: die Frankfurter Allgemeine hat natürlich auch einen Wirtschaftsteil, und sie hat einen „Chefredakteur digitale Produkte“. Der heißt Knop, Carsten Knop, und ihm ist offenbar nichts wichtiger als die totale Digitalisierung des Unterrichts.
„Auch Schulen gehören an das beste Netz“, so lautet die Überschrift seines heutigen Artikels (hier nachzulesen), und ich hatte schon beim Lesen der Überschrift das sichere Gefühl: da werden wir gleich etwas über Manfred Spitzer hören, und bestimmt nichts Gutes. Ich hatte recht: die Diskussion über die Digitalisierung sei „emotional“, schreibt Knop, und es würde immer jemand
eine der zahlreichen Erkenntnisse des Hirnforschers Manfred Spitzer [zitieren], der mit seinem Hinweis auf die digitale Demenz zum Dagobert Duck unter den Wissenschaftlern seines Fachs geworden sein dürfte. Und die Schüler? Fragen sich, warum ihre Ranzen platzen, daheim alles viel moderner ist als in der Schule und Papa und Mama von der Arbeit nur noch erzählen, das eigne Unternehmen werde durch die Digitalisierung auf den Kopf gestellt und das ganze Leben sowieso.
Soviel zum Niveau der industriefreundlichen Wirtschaftsjournalisten, die das geplante Jahrhundertgeschäft mit der digitalen Ausstattung aller deutschen Schulen wohlwollend begleiten. Manfred Spitzer, der in seinem Buch „Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ präzise belegt, wie verhängnisvoll sich das immer längere Starren auf den Bildschirm bei unseren Kindern auswirkt, ist übrigens keineswegs „Hirnforscher“, sondern Psychiater. Er hat ein Diplom in Psychologie, ist Doktor der Medizin und der Philosophie und hat seit 1997 den Lehrstuhl für Psychiatrie an der Universität Ulm inne. Er hat es also auch beruflich mit den Opfern des digitalen Wahns zu tun und kennt als Arzt die Folgen der Digitalisierung, über die ein Wirtschaftsjournalist großzügig hinwegsehen kann.
Schulen gehören an das beste Netz? Das soll die Devise sein? Nein:
an die Schulen gehören die besten Lehrer,
so muß es heißen, denn nur in der persönlichen Beziehung zwischen Lehrer und Schüler kann Gutes und Gedeihliches entstehen. Maschinen mag man hie und da einsetzen, ihre didaktische und erst recht ihre pädagogische Bedeutung ist aber gering.
Daß Manfred Spitzer in ein Wespennest gestochen hat, sieht man an solchen Artikeln im Wirtschaftsteil unserer Tageszeitungen wie dem von Carsten Knop. Man sieht es aber auch am Wikipedia-Eintrag über Spitzer, der von einer geradezu ärgerlichen Einseitigkeit ist. Hier trifft die unkritische Bejubelung des „Netzes“ durch die „User“ auf wunderbare Art mit den wirtschaftlichen Interessen der IT-Branche zusammen.
Was für ein Bündnis!