Der Vatikan hat ein anderes Verständnis von Zeit als die Menschen außerhalb seiner Mauern. Da kann es schon einmal Jahrhunderte dauern, bis ein Fehler beseitigt wird: Galileo Galilei (1564-1642) etwa wurde erst 350 Jahre nach seinem Tod rehabilitiert.
Mit Zeit und Ewigkeit hat auch manches zu tun, was heutzutage aus dem Vatikan nach außen dringt. Den zarten Anfragen, ob nicht vielleicht doch über die Priesterweihe für Frauen nachgedacht werden sollte, hat jetzt der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Ladaria, eine rabiate Abfuhr erteilt. Das war zu erwarten, aber die Sprache, die er dabei verwendet, läßt aufhorchen (hier teilweise nachzulesen).
Schon Johannes Paul II. hatte erklärt,
daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.
Ladaria bekräftigt das nun in einem Artikel im Osservatore Romano. Das Verbot der Frauenordination sei „aus Gehorsam gegenüber dem Herrn endgültig“, weil „es sich um eine Wahrheit handelt, die zum Glaubensgut der Kirche gehört“.
Darüber habe das unfehlbare Lehramt der Kirche entschieden.
Schon 1995 habe das Lehramt auf Zweifel von „einigen Gläubigen“ geantwortet:
Die darin vorgelegte Lehre sei endgültig und gehöre zum Glaubensgut.
Nun ist es mit der Unfehlbarkeit und der Endgültigkeit von Lehren so eine Sache: sie haben nämlich ein Verfallsdatum, auch wenn die Hüter der Lehre das nicht wahrhaben wollen. Und je lauter und drohender diese Hüter den Gläubigen ihr „Basta!“ entgegenschleudern, umso mehr wachsen die Zweifel.
Wenn ich darüber nachdenke, wieviele „Lehren“ allein schon in den knapp sieben Jahrzehnten meines Lebens gekommen und wieder gegangen sind, dann erscheint mir die trotzige Glaubensgewißheit, wie sie bis heute in den vatikanischen Kongregationen formuliert wird, reichlich naiv. Eine Unfehlbarkeit des Papstes gar, der das Erste Vatikanische Konzil 1870 seinen Segen gegeben hat, war eine der großen Dummheiten der katholischen Kirche. Sie ist von der Geschichte hundertfach widerlegt worden.
Dabei möchte ich gar nicht, daß es auch bei den Katholiken demnächst zugeht wie in der evangelischen Kirche, die es mit ihrer Anbiederung an den Zeitgeist ja auch nicht gar so weit gebracht hat. Im Gegenteil: ich finde, daß gerade dieser lange Atem, dieses ganz andere Zeitgefühl im Vatikan seinen Charme hat und womöglich sogar vor allzu schnellen Beschlüssen und falschen Entscheidungen schützt. Aber es kann auch dazu führen, daß man alte Lehrsätze, die vor Jahrhunderten unter ganz anderen Bedingungen entstanden sind, einzementiert und wie eine schwere Last weiter mit sich herumschleppt.
„Endgültig“ ist jedenfalls nichts unter der Sonne – das müßte eine Kirche, die es auf zweitausend Jahre gebracht hat, eigentlich wissen.