Christian Lindner stürmt also mitten in der Nacht mit seiner Delegation zu den Mikrophonen, und die ahnungslosen, völlig überraschten Gesprächspartner, die in den Verhandlungsräumen zurückbleiben, erfahren von seiner Entscheidung in der Liveübertragung des Fernsehens.
Man hätte ihm mehr Anstand zugetraut. Jeder Mensch mit Kinderstube hätte eine solche Entscheidung zuerst seinen Verhandlungspartnern – und zwar persönlich! – mitgeteilt.
Lindners Problem war, daß er das Gelingen der Verhandlungen offenbar gar nicht wollte. Da ein Erfolg der Sondierungen, wenn man den drei anderen Parteien Glauben schenken will, noch in der Nacht drohte, mußte er seine vorgefertigte Rede früher halten als gedacht.
Ich habe die Stellungnahmen von Lindner bis Merkel und Seehofer live gesehen, und allein schon die schnell aus dem Hut gezauberten Tweets der FDP sprechen für einen geplanten Coup.
Lobende Worte über die „neue Standhaftigkeit“ der FDP sind angesichts dieses unanständigen Verhaltens wenig angebracht. Auch wenn man in die Wählerköpfe nicht hineinschauen kann: ich könnte mir denken, daß Lindner sich über die langfristige Wirkung seiner Rede täuscht.
Er hat sich und seiner Partei damit keinen Gefallen getan. Dem Land sowieso nicht.
PS: Bettina Schausten hat in der Livesendung wieder einmal gezeigt, was für eine gute Journalistin sie ist: trotz der späten Stunde waren ihre Fragen klug, präzise, schnörkellos, auf den Punkt genau. Bravo!