Ich sehe also gut aus, sagt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Das hört man natürlich gern. Aber nicht nur das: ich bin auch wertvoll und werde gebraucht. Und dann kommt es knüppeldick, in fetter Schrift steht da, was ich noch bin:
Sie sind heilig!
Da wacht man also morgens auf, denkt an nichts Böses – und erfährt plötzlich, daß man heilig ist! Aber man muß gar nicht darüber nachdenken, wie man darauf reagieren soll, denn das haben die lustigen Leute von der evangelischen Kirche schon vorweggenommen: „Huch!“ soll man sagen, oder „Echt?“ oder „Ha ha ha, guter Scherz!“
Na ja, wie der typische Gottesdienstbesucher in Hessen halt so redet.
Aber nein! Ich sehe ja jetzt erst, daß wir es hier mit einer „Impulspost“ zu tun haben:
Ziel der Impulspost ist es, geistliche Anregungen medial zu vermitteln und möglichst viele Mitglieder der EKHN zu erreichen. Mit einem elementaren und pointierten Ansatz sollen insbesondere diejenigen angesprochen werden, die sonstige kirchliche Angebote kaum wahrnehmen.
Wie gut, daß man solche Aktionen von professionellen Werbeagenturen wie gobasil in Hamburg durchführen lassen kann. Da werden jetzt also Scharen von jungen Leuten in den evangelischen Gottesdienst stürmen – und was werden sie da zu hören bekommen?
Dieselben faden Predigten wie bisher, dieselben altbackenen Weisheiten wie aus billigen Ratgebern zur praktischen Lebenshilfe, denselben salbungsvollen Sprachduktus, vor dem man am liebsten nach ein paar Minuten flüchten möchte. Die evangelische Kirche verspielt leichtfertig ihr kostbares Gut, sie wuchert nicht mit dem Pfund, das sie besitzt, sie verwandelt die Sprengkraft des Evangeliums in ein laues moralisches Lüftchen.
Und vor allem: sie unterschätzt und unterfordert die älteren Menschen, die noch zum Gottesdienst kommen (junge sieht man ja kaum noch). Das sind doch keine debilen, tatterigen Alten, die sich über ein bißchen Ansprache freuen! Nein, das sind erwachsene Menschen, die unendlich viel mehr Lebenserfahrung haben als alle jungen Pfarrerinnen zusammen, die ihnen heute aus der Bibel in gerechter Sprache vorlesen.
Diese Predigten klingen irgendwie alle gleich, so als wären sie aus dem Internet heruntergeladen und immer nur je nach Anlaß ein bißchen variiert: eben wie aus Textbausteinen zusammengesetzt. Es ist Massenware, aus der fast nie ein lebendiger Pfarrer mit seiner Originalität, mit seiner Persönlichkeit hervorscheint.
Das ist es, was sich ändern muß, und dazu braucht man keine teuren Werbeagenturen. Dazu braucht man eher Klugheit bei der Einstellung von Pfarrern und eine Ausbildung (vor allem beim Predigen), die dem zukünftigen Pfarrer genug Raum für seine Individualität läßt. Auch wenn er kein angeborenes Charisma hat – ein paar Funken wenigstens sollten schon sprühen, wenn er predigt.