Wenn man liest, was Thomas de Maizière in seinen Gastbeitrag in der „Bild am Sonntag“ über eine deutsche Leitkultur wirklich geschrieben hat (hier können Sie den Beitrag im Wortlaut lesen), dann kann man sich über die heftigen Reaktionen nur wundern.
Der Innenminister verteidigt – völlig zurecht! – den Begriff der Leitkultur. Er formuliert seine Gedanken ruhig, hin und wieder ein bißchen übervorsichtig (um nur ja niemandem auf die Füße zu treten!), und da, wo er in der Religion den „Kitt“ der Gesellschaft sieht und sie damit auf eine Art Sozialwerk reduziert, ist er nicht auf der Höhe der Zeit (und der Theologie). Seinem Satz, daß dieser Kitt
in der christlichen Kirche, in der Synagoge und in der Moschee entsteht,
kann ich, was die Moscheen angeht, nicht zustimmen. Aber insgesamt ist seine Darlegung durchdacht und kann bei einem halbwegs vernünftigen Menschen kaum Widerspruch erregen.
Die künstliche Erregung beschränkt sich denn auch bei genauerem Hinsehen auf die üblichen Verdächtigen: Grüne, Linke, große Teile der SPD (da ist Hessen mit Schäfer-Gümbel mal wieder vorn) und ein protestantisches Milieu, wie es etwa durch Katrin Göring-Eckardt repräsentiert wird. Es sind die Vertreter der völlig desavouierten Multikulti-Ideologie, und die Art, wie sie auch jetzt wieder sofort und ohne nachzudenken „aus der Hüfte schießen“, ist geradezu ein Lehrbeispiel für einzementierte ideologische Positionen. Man bleibt ihnen treu, auch wenn sie durch die gesellschaftliche Wirklichkeit (und die Logik!) ganz und gar widerlegt sind.
Diese Ideologie des bunten Einerleis, der banalen Relativierung aller Werte, Religionen und Orientierungen, die sich natürlich auch in der Presse wiederfindet (man denke nur an den Hessischen Rundfunk, der solche Gedanken über eine Leitkultur sofort als „umstritten“ bezeichnet, obwohl sich doch die große Mehrheit der Deutschen darin wiederfindet), diese verbohrte Ideologie, die so „postfaktisch“ ist, wie man es nur sein kann, sie ist es, die ein Häufchen wie die Nach-Lucke-AfD erst stark gemacht hat.
Man sollte einen Text wie den von Thomas de Maizière immer im Wortlaut lesen. Er plädiert für Positionen, mit denen ich fast in allem übereinstimme. Nur: ganz so zaghaft hätte er sie nicht formulieren müssen.
PS: Die „Welt“ schreibt, die Debatte um die Leitkultur sei „voll entbrannt“. Ach, schön wär’s! Aber aus dem rotgrünen Milieu, das leider bis in die CDU hineinreicht, kommen wieder einmal nur reflexartige Beschimpfungen – so wie beim Pawlowschen Hund der Speichel fließt, sobald das Glöckchen ertönt. Das soll eine Debatte sein? Wirklich nicht.