Despoten neigen überall auf der Welt dazu, paranoide Züge zu entwickeln. Was den türkischen Präsidenten betrifft, so muß man sich freilich die allergrößten Sorgen um seine psychische Verfassung machen. Was er in letzter Zeit gesagt und getan hat, kann man selbst bei gutem Willen nicht mehr ohne psychiatrische Begriffe beschreiben.
Nehmen wir nur einmal die letzten Beispiele, die gerade über die Agenturen verbreitet worden sind.
Der deutsche Journalist Deniz Yücel (ein Korrespondent der Welt, die ja nicht gerade im Rufe steht, den Terrorismus zu unterstützen!) sei – so Erdogan wörtlich – „ein deutscher Agent“:
Als ein Vertreter der PKK, als ein deutscher Agent hat sich diese Person einen Monat lang im deutschen Konsulat versteckt.
PKK-Mitglied und Agent ist Yücel also, und vermutlich auch noch ein klammheimlicher Gülenist (dieses Attribut hat die türkische Nachrichtenagentur Anadolu wohl vergessen), denn alle deutschen Journalisten sind irgendwie mit der PKK und dem leibhaftigen Satan Gülen verbandelt, nicht wahr?
Wenn sie nicht gerade für Deutschland spionieren.
Die Absage der chauvinistischen Auftritte seiner Minister in mehreren deutschen Städten erbost den Sultan zusätzlich (hier nachzulesen):
„Sie lassen unseren Justizminister nicht zu Wort kommen. Sie lassen unseren Wirtschaftsminister nicht zu Wort kommen.“ Die Verantwortlichen müssten wegen „Beihilfe zum Terror vor Gericht kommen“, sagte Erdogan. „Das liegt so offen auf der Hand.“
Das hätte sich der brave Bürgermeister von Gaggenau auch nicht träumen lassen, daß er einmal von einem Sultan in der fernen Türkei zum Terroristen erklärt wird!
Aber im Ernst: wie kommt es, daß sich dieser Typus von Mann in letzter Zeit überall so vermehrt? Wo man hinschaut, überall eitle, selbstgefällige Despoten am Rande des Nervenzusammenbruchs. Und die Menschen jubeln ihnen auch noch zu – man denke nur an das rote Fahnenmeer, sobald ein Yildirim oder ein anderer von Erdogans Hofschranzen einmal nach Deutschland kommt. Wenn ein anatolisches Bäuerchen ehrfurchtsvoll zum büyük lider aufblickt, dann kann ich das ja noch nachvollziehen – aber wie kommt es, daß offenbar eine Mehrheit der hier in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Menschen mit türkischen Wurzeln einen solchen Mann verehrt?
Ich weiß es nicht. Der Mensch ist eben doch letzten Endes ein rätselhaftes Wesen.
PS: In Schillers Ballade „Die Bürgschaft“ kommt auch so ein Wüterich vor („entgegnet ihm finster der Wüterich“). Der aber, der Tyrann von Syrakus, spürt am Ende „ein menschliches Rühren“ und zeigt Milde. Aber vielleicht scheint darin ja auch nur der Unterschied zwischen der Literatur und dem wirklichen Leben auf.