Daß, wer Politik macht, keine Berührungsängste haben darf, ist klar. Wenn wir nur noch mit demokratischen Regierungen reden würden, hätte Frank-Walter Steinmeier kaum noch etwas zu tun. Man hat mit Hitler geredet, mit Chruschtschow, Breschnew und Mao, also muß man – selbstverständlich! – auch mit Putin und Erdogan reden. Nicht weil sie uns ans Herz gewachsen sind, sondern weil sie die faktische Macht in ihren Ländern haben.
Aber es kommt darauf an, wie man mit ihnen redet.
Die Kanzlerin hat sich früher immer entschieden gegen einen Beitritt der Türkei ausgesprochen, und sie hat das Erdogan auch bei einem Treffen ins Gesicht gesagt (diesen Mut hat meines Wissens kaum ein anderer Politiker gehabt). Wie sie sich aber jetzt der Türkei gegenüber verhält, das ist kaum noch verständlich.
Seit Erdogan gemerkt hat, daß er durch eine geschickte Lenkung der Flüchtlingsströme einen fast beliebigen Druck auf die EU (den „Christenklub“, wie er die EU gerne nennt) ausüben kann, zeigt er immer öfter, wie ein Sultan mit seinen Untertanen umgeht. Den deutschen Botschafter bestellt er fast monatlich ein, und seine Sprache Deutschland gegenüber wird immer dreister: er will die Diskussion (in Deutschland!) über den Völkermord an den Armeniern unterbinden und Satiresendungen (in Deutschland!) verbieten und ihre Ausstrahlung für alle Zeit verhindern. Und er besteht auf einer Strafverfolgung gegen Böhmermann – in Deutschland!
Kurz gesagt: er will mit der deutschen Demokratie genauso umspringen wie mit seinen türkischen Untertanen.
Alles hat dann auf eine kraftvolle Antwort aus Berlin gewartet – aber die kam nicht. Tagelang herrschte Schweigen. Erst als die öffentliche Meinung immer lauter nach einer Reaktion aus der Hauptstadt gerufen hat, kamen zaghafte Distanzierungen. Man habe doch schon getwittert! sagte allen Ernstes ein SPD-Bundestagsabgeordneter. Auch Steinmeier ließ dann eine milde Mahnung hören.
Und Merkel? Sie schweigt und schweigt.
Aber nicht nur das. Als Böhmermann seine dumme Schmähkritik senden läßt, die mit Satire (anders als das „extra drei“-Lied!) nun wirklich nichts zu tun hat, da kann Merkel gar nicht eilig genug beim Vertreter des Sultans, beim Ministerpräsidenten Davatoglu, telefonisch antichambrieren.
Auch bei ihren Besuchen in Ankara steht sie wie ein Schulmädchen neben dem büyük lider. Die Körpersprache sagt alles.
Hat sie das wirklich nötig? Vor einem Herrscher, der seinen Wahlsieg dazu mißbraucht, Militär, Presse und Justiz gleichzuschalten, muß man doch nicht auch noch einen Kotau machen!
So wird man nur immer wieder und wieder erpreßt.