Manchmal denke ich mir: Wessis und Ossis leben doch noch in völlig verschiedenen Welten. Aber worin besteht der Unterschied? Vielleicht darin, daß die Ossis unbedarft aussprechen, was die Wessis nur denken?
Da gibt es jetzt also auch in Sachsen-Anhalt einen Philologenverband. Das ist nicht etwa eine Vereinigung von Philologen, also Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Philologie. Nein, seine Mitglieder sind
Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien, Gesamtschulen, Hochschulen sowie an anderen Bildungseinrichtungen, die auf das Abitur vorbereiten. Der Verband wurde 1903 in Halle gegründet und organisiert heute rund 90.000 Einzelmitglieder in 15 Landesverbänden. Er vertritt die berufs- und bildungspolitischen Interessen der Gymnasiallehrerinnen und -lehrer im Beamtenstatus und im Angestelltenverhältnis.
Der Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, Dr. Jürgen Mannke, hat nun in seiner Verbandszeitschrift zusammen mit seiner Stellvertreterin einen Leitartikel verfaßt, der es in sich hat (hier kann man ihn nachlesen).
Natürlich stehen darin zur Flüchtlingsfrage auch ein paar richtige (Allerwelts-) Aussagen: daß Flüchtlinge sich so schnell wie möglich integrieren sollten, daß in ihren Herkunftsländern oft ein anderes Frauenbild herrscht als bei uns, daß wir ein richtiges Einwanderungsgesetz brauchen usw.
Das alles unterschreibe ich – aber dann gibt es wieder einen Subtext, dann gibt es Formulierungen, die ich zuletzt Anfang der 60er Jahre aus dem dumpfen Milieu der Adenauerzeit gehört habe.
Für Mannke ist die „Immigranteninvasion“, die jetzt Deutschland „überschwappt“ (ein Philologe sollte eigentlich wissen, daß dieser Satz nicht nur scheußlich klingt, sondern auch grammatisch falsch ist, bitte nachschlagen, Dr. Mannke!), für ihn ist diese Invasion also vor allem eines: eine SEXUELLE GEFAHR, eine Invasion lüsterner Muslime, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf unsere minderjährigen Töchter stürzen.
Überspitze ich da? Ganz und gar nicht.
Mannke hat festgestellt, daß „viele junge, kräftige, meist muslimische Männer“ in unser Land kommen. Was sie wollen, weiß er:
Viele der Männer kommen ohne ihre Familie oder Frauen und sicher nicht immer mit den ehrlichsten Absichten.
Na ja, es sind ja auch keine biederen Philologen. Vor allem: oft kommen die muslimischen Männer
aus rein wirtschaftlichen oder gar kriminellen Motiven in unser Land.
Woher weiß das der Philologe? Er hört
aus vielen Orten in Gesprächen mit Bekannten, das (sic!) es zu sexuellen Belästigungen im täglichen Leben, vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln und Supermärkten, kommt.
Als „verantwortungsbewusste Pädagogen“ geht es ihm und seinen Kollegen vor allem um eines:
Wie können wir unsere jungen Mädchen im Alter ab 12 Jahren so aufklären, dass sie sich nicht auf ein oberflächliches sexuelles Abenteuer mit sicher oft attraktiven muslimischen Männern einlassen?
Das klingt doch ein bißchen sehr nach einem „Schulmädchenreport“ oder ähnlichen Sexfilmchen der 60er Jahre, wo Mädchen und „junge kräftige Männer“ es zusammen treiben, oder?
Dieser Leitartikel ist an Peinlichkeit kaum zu übertreffen.
PS: Mannke ist Deutschlehrer und Schulleiter am Goethegymnasium in Weißenfels an der Saale.