Sprachverlumpung

Es lohnt sich immer, hin und wieder in den Büchern unserer großen Schriftsteller zu stöbern.

Vor ein paar Tagen habe ich in alten Bücherkisten an Frankfurts Bockenheimer Warte zwei Bände einer Gesamtausgabe von Thomas Mann entdeckt. Es sind nicht die großen, bekannten Dichtungen, sondern kleine Prosatexte: Aufsätze, Reden, Tagebücher.

Eine der Reden – Thomas Mann hat sie 1936 in Budapest gehalten – heißt „Humaniora und Humanismus“. Aus ihr stammt mein Fundstück:

Man wird von mir nicht vermuten, daß ich mit meinen Gedanken demjenigen den Weg bereiten möchte, was heute tatsächlich heraufzukommen droht: einer illiteraten, in Technik und Sport stumpfsinnig aufgehenden Welt, deren Sprachverlumpung ihrer moralischen Verrohung und Verarmung gleichkommen zu wollen scheint.

Wer sich einmal ein paar Stunden durch die Foren des Internets gequält hat, wird mir beipflichten, daß es mit der Sprachverlumpung (ein Wort, das man sich unbedingt merken sollte!) heute noch viel, viel schlimmer geworden ist. „Illiterat“ ist mittlerweile, zumindest bei der jüngeren Generation, schon die Mehrheit, wenn man die Beherrschung der Muttersprache als Prüfstein nutzt. Die Schulen haben (zusammen mit Schulämtern und Kultusministern) ein gerüttelt Maß Schuld an dieser Misere: sie laufen der „Neuen Rechtschreibung“ genauso hinterher wie dubiosen „Reformpädagogen“, die inzwischen dafür gesorgt haben, daß Schreibfehler in der Grundschule nicht mehr korrigiert werden, um den Kindern die „Freude am Schreiben“ nicht zu nehmen.

Der alltägliche Wahnsinn einer früheren Kulturnation.

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