Wenn jemand fordert, daß unsere Schüler solide Kenntnisse etwa in Geographie und Geschichte und (natürlich!) in der deutschen Sprache haben sollten, erntet er bei uns nur noch ein müdes Lächeln. Solche Forderungen stammen ja, wie man gern zu sagen pflegt, „aus dem tiefsten 19. Jahrhundert“ – und das stimmt sogar: sie beruhen auf einem Bildungsgedanken, wie ihn Wilhelm von Humboldt zu Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt hat.
Dieser Gedanke war das Fundament aller wissenschaftlichen Erfolge in unserem Land.
Wer heute kein müdes Lächeln, sondern frenetische Begeisterung bei Politik und Wirtschaft ernten will, muß die Digitalisierung unserer Schulen verlangen. Mehr Computer in den Schulen, am besten schon in den Kindergärten – und alles wird gut. Unseren Kindern fehlt – das sagt allen Ernstes die Große Koalition mit Angela Merkel an der Spitze – die Kompetenz im Digitalen.
Die Schulen sind für die IT-Wirtschaft, Hard- und Software eingeschlossen, ein gewaltiger Markt, ein Zukunftsmarkt ersten Ranges. Stellen Sie sich vor, wieviel Geld in ihre Kassen fließt, wenn jeder Schüler vom Steuerzahler ein Tablet oder ein Notebook spendiert bekommt! Daß da auf einmal von der Wirtschaft gesponserte „Studien“ auftauchen, die beweisen wollen, wie segensreich Computer für die Bildung sind, versteht sich von selbst.
Glücklicherweise hat Manfred Spitzer genau diese Zusammenhänge in seinem Buch „Digitale Demenz“ (unbedingt lesen!) aufgedeckt. Und er hat vor allem anhand vieler Studien gezeigt, daß die Einführung von Computern beim Lernen nur Schaden anrichtet. Erst wer ein gründliches (analoges!) Bildungsfundament erhalten hat, kann aus der Arbeit mit dem Computer Gewinn ziehen. Das heißt, auf gut deutsch: Computer im Unterricht möglichst gar nicht, und wenn, dann so spät wie möglich!
Wir müssen uns entscheiden, ob wir in Zukunft Schüler haben wollen, die nicht einmal mehr die Kontinente aufzählen können („kann man ja, wenn’s sein muß, in der Wikipedia nachschlagen“), oder ob es beim Erziehungsziel des gebildeten Menschen bleiben soll. Der Abwärtstrend in der traditionellen Bildung ist ohnehin kaum mehr zu stoppen – und in dieser Situation fällt dem Kabinett Merkel, das ja auch sonst die schlechtesten Traditionen von CDU und SPD in sich vereint, tatsächlich nichts anderes ein als – ein „Pakt für Digitale Bildung“ (wobei die Großschreibung des Adjektivs „digital“ schon zeigt, wohin der Hase läuft).
Mit diesem Pakt sollen „die unterschiedlichen Aktivitäten von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gebündelt“ werden. In einem „Länderstaatsvertrag“ (hier nachzulesen) müsse dann
die Förderung eines zeitgemäßen und altersgerechten Informatikunterrichts ab der Grundschule, eine bessere Aus- und Fortbildung der Lehrer sowie die Entwicklung bundeseinheitlicher Mindeststandards „zur digitalen Informations- und Medienkompetenz für die unterschiedlichen Altersstufen“ der Schüler vereinbart werden.
Eines weiß inzwischen jeder, der auch nur halbwegs mit Verstand begabt ist: einen Text, in dem das Wort „Kompetenz“ vorkommt, sollte man sofort löschen. Denn: wo Kompetenz draufsteht, ist niemals, wirklich niemals Kompetenz drin! „Kompetenz“, „nachhaltig“, „klimaneutral“, „erneuerbar“ usw., das sind alles Werbe- und Marketingbegriffe ohne Substanz geworden. Schon an der Wortwahl des Absatzes kann man ermessen, wie viele Lobbyisten da im Vorfeld mitgeschrieben haben.
Offenbar gibt es aber immer noch Eltern, die allen Ernstes glauben, daß es ein Zeichen des Fortschritts ist, wenn im Unterricht Computer eingesetzt werden. Da kann ich nur an das „Sprachlabor“ der 70er Jahre erinnern, das seinerzeit als größte Errungenschaft beim Erlernen von Fremdsprachen gefeiert wurde. Schon wenige Jahre später waren die Sprachlabore wieder aus den Schulen verschwunden.
Sie mögen technisch perfekt gewesen sein, aber Maschinen ersetzen eben niemals den Lehrer, den Pädagogen, sie sind ihm nicht einmal eine Hilfe. Wenn man an seine Schulzeit zurückdenkt: an wen erinnert man sich da? Werden sich die heutigen Schüler, von der Regierung mit Maschinen beglückt, später einmal an ein Notebook oder ein Tablet erinnern?
Das ist alles nur (wie es Papst Franziskus gern nennt) Schnickschnack.
Nein, man erinnert sich an zwei oder drei Lehrer, an denen man selbst gewachsen und gereift ist. Computer kann man kaufen, gute Lehrer nicht. Computer sind inzwischen zur Wegwerfware geworden – aber einen guten Lehrer mit seiner ansteckenden Begeisterung für sein Fach vergißt man oft das ganze Leben lang nicht.