Das Bundesverfassungsgericht und die abendländische Kultur

Mit den Juristen ist es so eine Sache: man braucht sie, denn ohne eine unabhängige Justiz gibt es keine Demokratie. Aber Juristen sind auch von Natur aus buchstabengläubig (sie müssen es sein!), und das bedeutet, daß sie sich bei der Auslegung von Gesetzen nur an den Text halten und alles, was diesen Text überhaupt erst hervorgebracht hat, alles also, was an Kultur, Geschichte, Religion in den Text eingegangen ist, ganz und gar unbeachtet lassen. Die Enge ihres Blicks ist notwendig, sie führt aber auch dazu, daß hin und wieder Urteile gefällt werden, die dem Geist der Gesetze diametral entgegengesetzt sind.

So ein Urteil haben gestern die Richter des Bundesverfassungsgerichts gesprochen.

Vordergründig geht es um das Kopftuchverbot für Lehrerinnen an staatlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Da haben die Richter, was verwerflich genug ist, ihr eigenes Urteil von 2003 sang- und klanglos aufgehoben und sich dem grünlinken Zeitgeist angepaßt. Der Text unseres Grundgesetzes hat sich nämlich seit 2003 nicht verändert – die Veränderung muß also in den Köpfen der Richter stattgefunden haben.

Und die Richter tun so, als sei das Tragen eines Kopftuchs immer die freie Entscheidung der Frauen.

Aber so geht es nur in der Märchenwelt zu. Und die Verfassungsrichter, die ja nicht nur Richter, sondern auch Staatsbürger sind, wissen genau, daß man davon ganz und gar nicht ausgehen kann. Es gehört für ein Mädchen oder eine junge Frau ein unvorstellbarer Mut dazu, gegen den Willen der Familie das Kopftuch, zu dem sie – weil es der Prophet angeblich so will – genötigt worden sind, wieder abzulegen. Die Richter tragen ihre roten Roben nur während der Verhandlung. Im Alltag laufen sie nicht damit herum. Aber viele muslimische Mädchen und Frauen werden zum Anlegen des Kopftuchs gezwungen, sobald sie das Haus verlassen. Islam heißt ja Unterwerfung, und das Kopftuch bedeutet nichts anderes als die Unterwerfung der Frau unter den Mann. Das Kopftuch ist deshalb mit unserem Verständnis von Mann und Frau nicht vereinbar.

Ganz zu schweigen davon, daß mit dem Kopftuch und seiner Symbolik nicht Integration stattfindet, sondern geradezu das Gegenteil: Abschottung und Parallelkultur. Muslime wollen so zeigen, daß sie anders sind und auch anders bleiben wollen. Die Freude der Muslimverbände, die zur echten Gleichberechtigung von Mann und Frau immer nur Lippenbekenntnisse ablegen, dürfte nach diesem Urteil groß sein.

Soweit die Causa Kopftuch.

Viel schlimmer aber ist an diesem Urteil etwas anderes: die Richter haben mit ihrer vorbehaltlosen Gleichberechtigung aller Religionen völlig ausgeblendet, daß der Islam keineswegs einfach nur „eine Religion“ ist (damit hätte niemand ein Problem). Nein, er verknüpft seine religiösen Aussagen mit einer Auffasung von Staat und Gesellschaft, die mit unserem Grundgesetz kaum vereinbar ist. Wer glaubt, daß der Islam dereinst mit unserem europäischen Verständnis von Liberalität und Demokratie in Einklang zu bringen sei, mag daran glauben. Viel spricht leider nicht dafür.

Das alles interessiert unsere buchstabengläubigen Verfassungsrichter nicht. Und sie setzen noch eins drauf: ausdrücklich verbieten sie eine Klausel im NRW-Schulgesetz, mit der die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte und Traditionen“ privilegiert werden sollte.

Was heißt das jetzt, aus dem Juristischen ins Praktische übersetzt?

Es heißt, daß unsere Kultur, unsere Tradition, auch unsere Religion im eigenen Land nicht mehr gilt als irgendeine andere, die mit Einwanderern mehr oder weniger zufällig zu uns gekommen ist. Wenn man weiß, wie wichtig die kulturelle Identität für Menschen, Gesellschaften und Staaten ist, kann man über diese brutale Gleichmacherei, die alles einebnet, nur traurig (oder zornig) werden.

Vielleicht hat ja der eine oder andere meiner Leser Huntingtons Kampf der Kulturen gelesen. Viele kennen nur den Titel, aber man sollte es wirklich von Anfang bis Ende lesen: es ist eines der klügsten und lesenswertesten politischen Bücher, die ich kenne. Die globalen Auseinandersetzungen, das ist – ganz einfach gesagt – seine Theorie, werden sich in unserer Zeit hauptsächlich entlang kultureller Grenzen entwickeln. Bündnisse werden also in erster Linie unter kulturell verwandten Staaten geschlossen, und Kriege werden zwischen Staaten und Gruppen mit unterschiedlicher kultureller Identität ausgetragen. Während des Kalten Krieges mit seiner Bipolarität waren diese kulturellen Unterschiede vorübergehend eingeebnet, jetzt beeinflussen sie umso kraftvoller die Weltpolitik.

Die kulturelle Identität ist eine ganz wesentliche und prägende Eigenschaft einer Gesellschaft. Selbstverständlich erträgt (und braucht!) jede Gesellschaft auch Zuwanderung – solange sie in einem gewissen Rahmen bleibt. Denn es ist wichtig für das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft, daß die kulturellen Traditionen der Mehrheit bestimmend bleiben. Wer wie Grüne und Linke vor der Selbstverständlichkeit die Augen verschließt, daß erst eine gesicherte, von niemandem bedrohte Identität der Mehrheit Toleranz und Gastfreundschaft ermöglicht, lebt in einem Wolkenkuckucksheim. Wenn man nämlich die Mehrheit ihrer Identität beraubt, indem man alles auf eine plumpe, geschichtslose Weise gleichsetzt, Heimisches und Fremdes, Christentum und Islam, Orient und Okzident, darf man sich über die Folgen nicht wundern.

Nur wer Herr im eigenen Haus ist, wird Gäste freundlich aufnehmen und bewirten. Nach dem Kochrezept der fortschrittlichen Menschen soll dem Hausherrn aber sein Haus weggenommen werden: man will es zu gleichen Teilen an alle verteilen. Gleichmacherei hat aber weder in Kleinen noch im Großen je funktioniert. Sie bringt nur Haß, Neid und Zwietracht hervor.

Jedes europäische Land hat seine eigene Geschichte, seine Tradition, seine Vorlieben und Abneigungen – und auch seine religiöse Kultur. Ganz Europa, daran kann kein Imam und kein Ströbele rütteln, ist von der christlichen Kultur geprägt. Selbst der glühendste Atheist, auch wenn er sich dagegen mit Leibeskräften wehrt, ist ohne dieses religiöse Fundament nicht einmal denkbar. Und – das sei den Richtern in Karlsruhe ins Stammbuch geschrieben! – auch das Grundgesetz (mitsamt den Richtern, die für seine Einhaltung sorgen sollen) gäbe es nicht, wenn nicht das Christentum, vor allem durch den Apostel Paulus, ein für allemal die Menschenwürde (schon wegen der Gottebenbildlichkeit des Menschen) nicht auf die Christen selbst beschränkt, sondern auf alle Menschen ausgedehnt hätte. Der Islam, der seine Moral auf die Muslime im Dar as-Salam („Haus des Friedens“) beschränkt und den ganzen Rest der Welt als Dar al-Harb („Haus des Krieges“) brandmarkt, ist demgegenüber ein Rückschritt von geradezu historischen Ausmaßen.

Wenn das Bundesverfassungsgericht es jetzt nicht einmal mehr erlaubt, daß in den Schulen unsere eigene Tradition „privilegiert“ wird, dann bedeutet das schlicht und einfach, daß uns diese Tradition, die unsere geistige Identität ausmacht, genommen wird. Durch diesen Identitätsraub wird unsere eigene Tradition, unsere Geschichte, unsere Kultur am Ende nur noch eine unter vielen sein – und damit hätte sie endgültig ihre identitätsstiftende Funktion eingebüßt. Gerade das, was unsere Zusammengehörigkeit ausmacht, was also nicht nur identitäts-, sondern auch friedensstiftend ist, wird damit verramscht. Ein neues geistiges Fundament sollen wir uns dann wohl – wie beim Discounter – zusammenstellen: ein bißchen Jesus, ein bißchen Scharia, ein bißchen Dalai Lama.

Wie es beliebt!

„Religionsfreiheit siegt“, hat die Deutsche Welle zum BVG-Urteil getitelt. In Wahrheit haben durch das Urteil die nichtchristlichen Religionen gesiegt, allen voran der Islam, der im Umgang mit konkurrierenden Religionen schon immer wenig Bescheidenheit gezeigt hat. Gesiegt hat auch – zumindest vorübergehend – die altbackene Mulitkulti-Ideologie mit ihrer dümmlichen linken „Alle sind gleich“-Sauce. Deren Anhänger sollten sich aber nicht zu früh freuen: der Islam, das zeigt seine Geschichte, das zeigt aber vor allem seine politische Praxis in der Gegenwart, gibt sich nur solange den Anschein von Weltoffenheit und Kompromißbereitschaft, bis er die Macht im Staat hat.

Dann ist Schluß mit lustig.

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