In einer Dokumentation des russischen Staatssenders Rossija1 hat Putin soeben damit geprahlt, wie er persönlich den Befehl zur Eroberung der Krim gegeben habe. Leutselig erzählt er von einer nächtlichen Sitzung am 23. Februar 2014 (hier nachzulesen):
Wir beendeten die Sitzung etwa um sieben Uhr morgens. Als wir uns trennten, sagte ich zu meinen Kollegen: Wir müssen beginnen, die Krim zurück zu Russland zu holen.
„Heim ins Reich“, hätte er auch sagen können. Vier Tage später stürmten seine Truppen das Regionalparlament der Krim und zwangen die Abgeordeten mit Waffengewalt zum Abhalten eines „Referendums“.
Auch auf die Rettung des korrupten ukrainischen Präsidenten Janukowitsch ist er hörbar stolz:
Wir bereiteten uns vor, ihn aus Donezk per Land, per Wasser oder per Luft zu bringen.
Es seien schwere Maschinengewehre installiert worden, um „nicht zu viel reden“ zu müssen.
Da ist es wieder: dieses Macho-Gehabe, das sich seit vielen Jahren durch Putins Biographie zieht. Putin ist und bleibt der alte Geheimdienstmann aus der Sowjetzeit, der die Geschichte (wenn es sein muß: mit Waffengewalt!) zurückdrehen möchte. Mit der fast unkontrollierten Macht, die er heute ausübt, ist er wohl die größte Gefahr für den Weltfrieden. „Nicht zu viel reden“, sondern schießen: das ist sein Programm. Das Reden spielt für ihn nur dann eine Rolle, wenn er die (in seinen Augen) dummen, leichtgläubigen Europäer über seine wirklichen Pläne hinwegtäuschen will. Das Abkommen von Minsk ist deshalb für ihn nur ein Mittel zur Zerschlagung der Ukraine gewesen – und dieses Ziel hat er fast erreicht. Wer glaubt denn im Ernst, daß er seine faktische Herrschaft über die Ostukraine je wieder auf geben wird? Da muß man schon sehr dumm sein – oder Platzeck heißen, Putins liebstes Kind in Deutschland.
Merkel und Hollande glauben, daß sie mit ihrer Diplomatie etwas Gutes getan haben, und für die armen Menschen, die im ukrainischen Kampfgebiet seit Monaten in Kellern hausen müssen, ist natürlich jede Waffenpause ein Segen. Aber die Menschen dort (und die westlichen Politiker) sind für Putin nur Schachfiguren. In dem üblen Spiel, das er ohne jeden Grund begonnen hat, geht es ihm um die Wiederherstellung der Sowjetunion in ihrer alten Größe – natürlich ohne Kommunismus. Wozu braucht Rußland noch den Kommunismus, wenn es einen Putin hat?
Jetzt geht es für die demokratische Welt darum, Putins Allmachtsphantasien Grenzen zu setzen. Seine Siege über Georgien und die Ukraine und seine Terrorherrschaft in Tschetschenien haben Plutin glauben lassen, daß der Westen nur ein „Papiertiger“ ist, der jede Art von Waffeneinsatz vermeidet. Ein Staatsmann, der diesen Namen verdient, hätte die westliche Bereitschaft zum Frieden honoriert, ein Putin denkt gar nicht daran. Für ihn ist der Westen schwach und dekadent, er verachtet ihn zutiefst.
Es liegt jetzt an uns, Putin klarzumachen, daß die Ukraine sein allerletztes Schlachtopfer war. Putin steht nicht über dem Völkerrecht. Wer sein Nachbarland überfällt und sich die besten Teile davon einverleibt, gehört vor einem internationalen Gerichtshof angeklagt. Anstalten dazu werden freilich noch immer nicht gemacht.
Das alles wird nicht leicht werden. Die liberalen Demokratien müssen sich auf einen lange währenden Zweifrontenkrieg einstellen: gegen Putins revanchistische Strategie, die den Krieg in Europa wieder salonfähig machen will, und gleichzeitig gegen den miltärischen Arm des Islams, der von der Weltherrschaft träumt. Beide haben einiges gemeinsam: sie verachten die Demokratien – und sie schrecken vor Waffengängen nicht zurück.
Mit Worten werden sich beide nicht eindämmen lassen.